Mein Glueck
Autobiographie Hauptweg und Nebenwege für Jacqueline kein gutes Wort findet. Ihr warf er vor, sie habe Freunde von Picasso ferngehalten. Es gibt wohl keinen glaubhafteren Zeugen als Piero Crommelynck, der mir Picassos Erregung darüber gewissermaßen als Teichoskopie schildern konnte. Er befand sich damals im Nebenzimmer. Diese Häme gegen Jacqueline war in jeder Hinsicht gemein und ungerecht. Auch für Kahnweiler und Michel Leiris war es befremdlich, dass sich Berggruen überall als Freund des Künstlers ausgab, der direkten Zugang zum Atelier und zu den Werken habe. Jacquelines Fürsorge für Pablo, den sie dann und wann »Monseigneur« nannte, hatte etwas Anrührendes. Nachts sei sie immer aufgeblieben, während Pablo arbeitete. Denn dieser hätte ihre Nähe gebraucht. Sie musste sich in einem kleinen Zimmer neben dem Atelier aufhalten, aus dem es alle paar Minuten tönte: »Mon amour, tu es là?« (»Bist du noch da, Liebste?«) Auf diesen Kontrollruf hatte sie umgehend zu antworten. Dabei sei es nie auszumachen gewesen, ob Pablo selbst fragte oder der Papagei, der im Atelier neben dem Maler zu sitzen pflegte. Immer wieder erzählte sie auf lustige Weise von ihrer Gefangenschaft. Eines Tages habe sie verkündet, sie müsse nach Nizza, um einen Podologen zu treffen, der ihr eine Warze von der Fußsohle wegbrennen sollte. Picasso habe gesagt: »Gut, dann fahren wir.« Er wollte unbedingt mitkommen. Natürlich war der Arzt überaus beeindruckt, Picasso zu sehen. Dieser schaute sich in der Praxis um, studierte alles, nahm die Instrumente in die Hand. Schließlich meinte der Arzt, nun sei es wohl an der Zeit, die Behandlung zu beginnen. Er solle doch im Wartezimmer bleiben. Plötzlich hörte Picasso ein durchdringendes »Au«. Er stürzte in den Behandlungsraum und merkte, dass er selbst das Opfer eines Papageis geworden war, der gelernt hatte, die Schreie der Patienten zu imitieren.
Mit Jaqueline traf ich mich nach dem Tod Picassos regelmäßig in Mougins und auch in Paris, oft mit dem humorvollen Piero Crommelynck und seiner bezaubernden poetischen Frau Landa. Piero und sein Bruder Aldo hatten über Jahre in Mougins Picassos Radierungen gedruckt. Es gibt wohl kaum jemanden, den Picasso öfters gezeichnet und gemalt hat. An die hundertfünfzig Mal taucht das scharf geschnittene, schlanke Gesicht mit dem Kinnbärtchen in den Arbeiten auf. Es war wohl auch die Erinnerung an Don José, den Vater der beiden, den Picasso in diesem ausdrucksvollen Kopf wiederentdeckte. Wir aßen gerne im Restaurant »Voltaire« am Quai Voltaire, wo ich regelmäßig mit Max Ernst und mit Richard Lindner zusammen war. Zur Ausstellung der Skulpturen Picassos, die ich für die Nationalgalerie Berlin und für die Kunsthalle Düsseldorf organisieren konnte, lieh mir Jacqueline, wie auch alle anderen Mitglieder der Familie, großzügig ihre Schätze aus. Jacqueline half mir auf jede nur mögliche Weise und sie liebte zu sagen, »Ja, dem Werner vertraue ich, er gehört zu denjenigen, die Pablo noch getauft hat«. Maya besuchte ich während der Vorbereitungen in Marseille. Sie hatte eine ungemein direkte Art, mit ihren Besuchern umzugehen, und begrüßte mich mit den Worten: »So sieht also der Spies aus, mit dem ich jede Nacht schlafe.« Diese Bemerkung erklärte sich damit, dass sie jeden Abend im Bett in meinem Skulpturenkatalog las. Sie war sofort bereit, mich auf jede Weise zu unterstützen, meinte allerdings, sie müsse zuvor noch dringend ein paar Einkäufe machen. So verbrachte ich eine geraume Zeit wartend in ihrem Zimmer, nur in der Gesellschaft eines Schäferhundes, der mich bedrohlich knurrend im Auge behielt. Auch später zeigte sich Maya überaus hilfsbereit. Als ich Jahre später bei Armin Zweite für Stuttgart und Düsseldorf zusammen mit Doris Krystof die Ausstellung »Picasso und die Welt der Kinder« vorbereitete, war sie, wie die übrigen Mitglieder der Familie, begeistert von dieser Idee, die einen neuen Blick auf das Werk Picassos versprach. Interessant war dabei sicher vor allem, dass Picasso bei der Darstellung von Kindern so etwas wie eine Deformationsscheu zeigte. Die Abweichungen vom menschlichen Kanon und vom Lieblichen des Sujets blieben hier gering. Auch war es spannend zu sehen, wie unterschiedlich er die eigenen Kinder präsentierte. Kein Zweifel, das erste Kind, der Sohn Paul, wurde wie ein Prinz, als Thronfolger inszeniert. In der Steifheit, im ernsten Gesichtsausdruck spiegelte sich etwas von der Altklugheit
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