Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)
warten sollte.
Der Geruch schmiss Wanda fast um. Es war ein ganz besonders widerliches Gemisch, eine Melange aus Männerschweiß, Eisen, Kunstleder, Turnschuhen, ungelüfteten Räumen sowie einem Hauch von irgendetwas Verdorbenem, von dem Wanda annahm, dass es aus dem Mülleimer neben der Tür kam, dort gammelte der Rest eines Döners vor sich hin. Sie riss die Fenster auf. Gleich rechts neben dem Eingang befand sich der lange Verkaufstresen, den eine Pyramide aus weißen Dosen zierte. Schriftzüge wie Aminor Pur und Gluta Power sowie kopflose muskulöse Torsos prangten auf den Etiketten. Der Kühlschrank dahinter summte laut und war zum Bersten mit roten und neongrünen Getränken gefüllt. Der gesamte Klub breitete sich vor ihr aus, und Wanda ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, der vielleicht dreimal so groß wie ihr alter Teeladen war. Lederbänke, Hanteln, seltsame Metallscheiben auf Spießen, eigentümliche Sitze unter klobigen Metallrahmen, an denen man sich irgendwie festhalten oder hochziehen musste, etwas, das wie ein gynäkologischer Stuhl aussah und sich nach hinten klappen ließ, eine Art Metallkäfig, in den man geschnallt wurde. Dahinter ein zweiter Raum, dort lagen ein paar Matten auf dem Boden, ein überdimensionaler Ball rollte einsam herum, Hüpfseile und seltsame Gummibänder hingen verdreht an der Wand.
Abgesehen von dem Verkaufstresen und der Pinnwand ein Stück weiter vorn ergab nichts von alldem irgendeinen Sinn. Stefan hätte sie genauso gut beauftragen können, auf die internationale Raumstation achtzugeben. Sie griff sich eine leere Aldi-Plastiktüte, die herrenlos herumlag, und sammelte erst mal zahllose Papierchen, Schnipsel, Haargummis und leere Wasserflaschen in den Umkleideräumen und Duschen ein. So. Wo blieb dieser Enrico? Wie auf Befehl ging die Tür auf, und zwei junge Männer kamen herein, ins Gespräch vertieft. Fast noch Kinder mit ihren pickligen jungen Gesichtern, garantiert noch keine achtzehn. Sie nickten Wanda kurz zu. »Moin.«
»Ist einer von Ihnen beiden Enrico?«, fragte Wanda zaghaft.
Die beiden schüttelten den Kopf und begaben sich mit missionarischem Eifer an eine der unheimlichen Maschinen.
»Vier Eier«, informierte der eine den anderen. »Aber nur das Weiße. Und Magerquark. Und gleich nach dem Training Whey Protein mit Glukose. Ganz wichtig.«
»Da kotz ich. Ich krieg das Zeug nicht runter.«
»Dann eben mit Soja. Auf jeden Fall pro Tag insgesamt dreißig Gramm Eiweiß, dreißig Gramm langkettige Kohlenhydrate, dreißig Gramm Fett. Wenn gar nichts hilft, probierst du Anabol.« Die Kraftmaschine quietschte wie ein alter Zugbrunnen. Wanda stand unschlüssig herum. Wovon redeten die beiden nur? Tauschten die Rezepte aus? Und was zum Teufel war Anabol? Ein Backpulver? Eine Sexualpraktik?
Sie rief Stefan an, doch der ging nicht ans Telefon. Dann würde sie eben den Müll rausbringen. Ein kleiner Gang führte auf der Seite des Tresens nach hinten, davon gingen Türen zu den Toiletten, Umkleiden und der Sauna ab, und ganz am Ende konnte Wanda eine Tür mit Fenster erkennen, dahinter grünes Gestrüpp. Natürlich, da war der kleine Innenhof, und da standen auch die Mülltonnen! Dort hatte sie Wolfgang das erste Mal nach der Scheidung wiedergesehen. Selbstredend war er auf der Eröffnungsfeier des Herkules mit einer neuen Frau im Schlepptau erschienen. Auch wenn die Dame garantiert bei einem Escort Service arbeitete – wie Biggi eiskalt behauptet hatte –, so hatte Wanda sich dennoch unwohl und ein bisschen als Verliererin gefühlt. Nun, im Augenblick lauerten im Innenhof sicher keine Gespenster der Vergangenheit. Und dann war da ja auch noch Bertram am glutroten australischen Horizont. Wanda schnappte sich die Tüte mit dem Döner und eilte hinaus.
Zuerst erblickte sie nur einen Haufen Metall und nahm automatisch an, dass es sich um eine weitere Kraftmaschine handelte, die aus unerfindlichen Gründen im Freien stand. Dann registrierte sie die Räder und den Lenker. Ein Motorrad. Ein riesiges, schweres Teil, schwarz, chromglänzend und mit einem seltsam tiefen Sitz. Irgendwie furchteinflößend. Was machte das Ding hier? Wem gehörte es? In diesem Moment tauchte wie aus dem Nichts eine nicht minder furchteinflößende Gestalt hinter dem Motorrad auf. Ein Biker mit Muskelshirt, Schnurrbart und Glatze. Wilde Tätowierungen tummelten sich auf seinen nackten Oberarmen und verhießen nichts Gutes. Er starrte Wanda an, und gerade, als sie nach Luft
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