Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)
wirklich sehr. Du darfst natürlich dann auch hier Sport machen, kein Problem.«
»Ach, du lieber Himmel, bloß nicht. Eher gehe ich im Nachthemd Schlittschuhlaufen. Aber beim Saubermachen helfe ich dir gerne.« Marianne sah sich mit gierigem Haifischblick um. Dann schnaufte sie glücklich. »Ui, ui, ui, wie es hier aussieht, das wird heftig. Dann will ich mal keine Zeit verlieren.« Sie stülpte sich ein paar Gummihandschuhe über und goss irgendeine beißend riechende Flüssigkeit in den Eimer. Dabei summte sie fröhlich. Wandas schlechtes Gewissen ebbte langsam ab. Wie es aussah, hatte sie Marianne gerade den Sonntag ihres Lebens beschert. Das Herkules wirkte offenbar wie Crack auf Putzsüchtige. Aber nicht mehr lange. Stefan würde staunen. Bald schon würde Wanda ihn wieder besuchen. Wenn er den Metallstab und den Gips los war. Aber erst einmal musste sie hier so einiges in den Griff bekommen. Sie nahm die grässlichen Bilder ab und hängte stattdessen ein paar der tollen Landschaftsfotos auf, die Stefan in Australien gemacht hatte und die sie in seinem »Büro« gefunden hatte. Eins davon zeigte die »Drei Schwestern«, eine Felsformation in den Blue Mountains von New South Wales. Dort, wo Bertram in wenigen Tagen entlangwandern und ebensolche Fotos schießen würde. Wanda verscheuchte den Gedanken sofort wieder. Mitten auf dem Tresen baute sie eine kleine Tee-Station auf, mit einem schicken kleinen Schild. Angebot des Tages: Rooibos, Frucht, Earl Grey und Assam . Und nach kurzem Zögern fügte sie noch Matcha hinzu. Zwei Dosen davon hatte sie gestern noch bei Martin besorgt. Zu ihrer grenzenlosen Verblüffung hatte sie dort Frau Ludwig angetroffen, die – ganz entgegen ihrem Naturell – von »ihrem« grünen Tee geschwärmt hatte. Vielleicht hatte Martin ja recht. Vielleicht war das Zeug wirklich beliebt.
»Wanda, willst du diese netten jungen Männer entsorgen?« Ohne dass Wanda es bemerkt hatte, war Biggi hereingekommen. Sie hatte ihre Haare zu einem kessen Pagenschnitt mit blonden Strähnen schneiden lassen und sah jetzt wirklich ein bisschen aus wie ihr früheres Selbst, wenn auch erheblich breiter. Sie betrachtete gerade die Hochglanzfotos. »Und den hier auch?« Biggi deutete auf den goldenen Herkules.
»Na, ich stelle das Zeug erst mal in den Keller. Bis …« Wanda biss sich auf die Lippe. Bis wann eigentlich? Bis Stefan wiederkam? Sie hatte beschlossen, Stefan erst mal nichts von den Veränderungen im Herkules zu erzählen. Auch nichts von dem Wettbewerb. Er würde sich nur aufregen, und das war in seinem Zustand nicht gut. Ihr Blick fiel auf Biggis Frisur. »Deine Haare sehen übrigens schick aus.«
»Danke. Ich treffe den Benno später, bin schon ganz nervös.« Biggi warf einen Blick in den Wandspiegel und schob sich eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht. Dann wandte sie sich wieder den Fotos zu. »Kann ich eins haben? Für mein Bad?« Sie schnappte sich ein Großformat. »Der hier. Der kann mir beim Baden zugucken, falls es mit dem Benno nichts wird.«
Marianne knallte demonstrativ den Wischeimer auf den Boden. »Da würde der Günther verrückt werden, wenn ich so was im Bad aufhängen würde. Das ist doch geschmacklos.«
Biggi zuckte mit den Schultern. »Du kannst dir ja von mir aus ein Bild von Günther in dein Bad hängen. Mit freiem Oberkörper.« Sie zwinkerte Wanda zu.
»Also, was willst du denn damit sagen? Der Günther sah früher mal gut aus.« Marianne setzte zu grollender Gegenwehr an. »Ganz fesch war der in seiner Uniform.«
Wanda wollte nicht an Günther denken, weder in seiner Schaffneruniform noch – Gott bewahre – ohne. »Facebook«, ging sie schnell dazwischen. »Du wolltest doch mal rausfinden, wie das geht, Biggi.«
Biggi hörte auf, so schadenfroh zu grinsen. »Ich habe es versucht. Aber ich kapiere das nicht. Und meine Schwester sagt, ich soll mich da bloß nicht anmelden. Dann sieht alle Welt deine Nacktfotos. Und der Chef von dem Ding, so ein Herr Zuckermann, verkauft alle deine Geheimnisse an die CIA .«
»Von mir gibt es gar keine Nacktfotos«, meldete sich Marianne triumphierend. »Also kann man sie auch nicht sehen.«
»Von wegen. Die retuschieren deinen Kopf auf irgendeinen Körper, Marianne, da kannst du gar nichts machen«, erklärte Biggi. »Das machen sie mit Angela Merkel dauernd.«
»Was? Mein Kopf auf einem fremden Körper? Wie bei Frankenstein? Sind die verrückt geworden?«
Wie waren sie nur von Facebook auf Frankenstein
Weitere Kostenlose Bücher