Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)
gebracht – es musste dringend Geld in die Kasse. Wanda würde sich jeden der schludrigen jungen Bodybuilder persönlich vorknöpfen. Aber vorher gab es noch etwas anderes zu erledigen.
O. Gilder stand an dem Klingelschild. Wanda holte tief Luft und drückte auf den Knopf.
Herr Gilder trug weder einen Kopfverband, noch schien er sonst wie beschädigt zu sein. Er lächelte freundlich.
»Abend«, brüllte er.
»Herr Gilder, ich wollte mich nur entschuldigen, dass Sie neulich diesen Sandsack ins Gesicht bekommen haben. Das tut mir sehr leid, ich hoffe, Sie haben sich nicht verletzt? Ich hätte schon längst mal nach Ihnen sehen müssen, aber ich hatte einfach keine Zeit, dieses … dieses Fitnessstudio. Wissen Sie, ich helfe meinem Sohn und leite das im Moment.« Wanda räusperte sich, laut reden war so anstrengend.
»Ach, nichts passiert, nichts passiert.« Herr Gilder winkte ab. »Unkraut vergeht nicht. Da habe ich in meiner Jugend ganz andere Schläge eingesteckt. Hab auch mal geboxt.«
»Ach, tatsächlich?«, gelang es Wanda zu sagen. »Na, dann … kommen Sie doch einfach noch mal vorbei. Kostenlos. Es gibt ein …« Nein das Schnupperangebot würde sie dem armen, alten Mann nicht andrehen. »Sie sind mein Nachbar. Sie kommen kostenlos rein.«
»Ach, na wunderbar. Habe gerade nach Fitnessklubs in der Gegend gegoogelt. Sie haben mich ja neulich darauf gebracht! Warum nicht im Trockenen Sport machen, Otto, hab ich mir gesagt.«
»Sie googeln?« Wanda verschlug es fast die Sprache.
»Jeden Abend«, erwiderte Herr Gilder. Er beugte sich vor. »Manchmal chatte ich auch.«
»Ach.« Herr Gilder chattete? Mit wem denn, um Himmels willen? Kurz zuckte die Vision einer internationalen Dating-Seite voller schmollender Lolitas in Wandas Kopf auf, die mit osteuropäischem Akzent »Otto Darrling« hauchten.
»Wissen Sie, wenn man nicht mehr so richtig hört, dann missversteht man im Gespräch so vieles. Aber meine Augen sind noch top! Und lesen und schreiben kann ich zum Glück noch. Da habe ich schon viele Freunde online gefunden. Und im Gartenforum hab ich viel gelernt.«
Wanda schämte sich augenblicklich. Sie wagte einen Vorstoß. »Herr Gilder, wissen Sie zufällig, wie man das Herkules auf Facebook stellen könnte?«
»Na klar. Geht ganz einfach. Warten Sie.« Er kritzelte ein paar Zeilen auf ein Papier. »Sie müssen aber eine Seite für ein Unternehmen erstellen. Dann können die Leute Ihre Seite abonnieren.«
»Unternehmen. Abonnieren.« Wanda schielte auf das Geschriebene. Hoffentlich merkte sie sich das alles. »Danke, Herr Gilder!«
»Otto. Und auf Facebook bin ich ebenfalls!«
Und als Wanda eine halbe Stunde später Herrn Gilders Anleitungen befolgt hatte, existierte tatsächlich eine Seite für das Studio Herkules auf Facebook. Phantastisch. Und eigentlich ganz einfach.
Kurz bevor Wanda zu Bett ging, sah sie noch mal drauf, sie war so stolz auf sich selbst. Etwas auf der Seite war jetzt allerdings anders. Erst wusste Wanda nicht gleich, was es war, doch dann entdeckte sie es. Ein Eintrag!
Eine kleine Hand, die den Daumen hochhielt:
Otto Gilder gefällt das.
12 Hüttenkäse, nicht so einen Mist
Als Wanda am Montagmorgen um Punkt 9.00 Uhr ihr Haus verließ, warteten zwei Tiere auf sie. Das eine war ein kleines Känguru aus Ton, welches eine winzige Karte in der Hand hielt . Goodbye, war darauf zu lesen und darunter in ganz kleiner Schrift: In vier Tagen geht es los – es ist noch nicht zu spät!
»Ach, Bertram«, sagte Wanda leise, dann fiel ihr Blick auf das zweite Tier. Es war der Dackel. Er saß artig vor ihrem Gartentor und wartete. Auf sie? Wenigstens war er nicht hereingekommen.
»Na«, grüßte Wanda halbherzig und stieg vorsichtig an ihm vorbei. »Wehe du gehst da rein, Miles!« Als er seinen Namen hörte, fing der Hund an, wie wahnsinnig mit dem Schwanz zu wedeln.
»Du bist mein Feind.« Wanda verdrehte die Augen. »Zisch ab.« Der Hund sah sie traurig an und setzte sich tatsächlich in Bewegung. So viel Folgsamkeit hatte Wanda gar nicht erwartet. »Wem gehörst du eigentlich?«, rief sie ihm hinterher. Und dann, ohne nachzudenken: »Bleib schön auf dem Fußweg, damit du nicht überfahren wirst!« Verwundert lauschte sie ihrer eigenen Stimme. Wurde sie auf ihre alten Tage etwa noch sentimental? Verwandelte sie sich gar in eine verrückte alte Scharteke, eine dieser Hunde-Muttis, die ihre Hunde in einem Rollator herumfuhren, mit ihnen flüsterten und sie mit Schleifen
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