Mein Hauptgewinn bist du!
bevor er sie gehen ließ.
„Alle außer Alex“, unterrichtete sie ihn knapp. „Oh, und Rafael kam allein.“
„Wahrscheinlich musste Leila arbeiten“, mutmaßte Jack.
„Schon möglich“, entgegnete Annabelle zögernd, „aber auf mich wirkt Rafael ziemlich unglücklich.“
Cara biss sich die Lippen wund, während die Geschwister noch einige Worte miteinander wechselten. Zuerst hatte sie Angst vor der Begegnung mit Jacks großer Familie gehabt, doch jetzt fühlte sie sich irgendwie betrogen. Jack schien das zu spüren.
„Tut mir leid, dass du Nathaniel und Katie nun doch nicht persönlich kennenlernst“, sagte er steif, nachdem Annabelle gegangen war.
Sofort schämte Cara sich für ihre Oberflächlichkeit. „Unsinn“, gab sie weich zurück. „Für dich ist es allerdings jammerschade, die Hochzeit deines Bruders verpasst zu haben.“ Jack zuckte nur mit den Schultern. „Aber ich habe mich gefreut, deine Schwester kennenlernen zu dürfen“, fuhr Cara im Plauderton fort. „Sie ist sehr schön und ziemlich ernst, nicht wahr?“
„So war sie nicht immer“, entschlüpfte es Jack gegen seinen Willen.
Wenn Cara sich über diese Aussage wunderte, zeigte sie es zumindest nicht. Stattdessen schaute sie lächelnd in Jacks düstere Augen, die plötzlich nicht mehr silbern schimmerten, sondern wie dunkler Schiefer wirkten. „Also … was nun?“, fragte sie betont heiter. „Wie soll es jetzt weitergehen?“
„Wie wäre es mit einem Drink an der Bar?“, schlug Jack mit gezwungener Stimme vor. „Wir können uns doch nicht umsonst so in Schale geworfen haben.“ Langsam ließ er seinen Blick an dem türkisfarbenen Traum aus schimmernder Seide hinabgleiten, der ihre biegsame Gestalt bis zur Wespentaille wie eine zweite Haut umschloss, um dann als schillernder Wasserfall ihre zart gebräunten Knie zu umschmeicheln.
Cara hatte unglaublich lange, wohlgeformte Beine, und mit abnehmender Spannung, da an der verpassten Hochzeitsfeier ohnehin nichts mehr zu ändern war, meldeten sich Jacks erotische Fantasien zurück. Sie beherrschten ihn seit dem Moment, in dem sich ihre Blicke in Nizza über den Spieltisch hinweg zum ersten Mal getroffen hatten.
Wie es wohl sein mochte, wenn Cara ihre unglaublichen Beine um seine Hüfte schlingen und …
Jack erstarrte und blieb wie angewurzelt stehen. Und dann spürte er glühend heiße Wut in sich aufsteigen, so wild und gewaltig, dass es ihn selbst schockierte. Seine Augen bohrten sich förmlich in die seines Bruders, der ihnen von der Bar her anscheinend gelassen entgegenschaute.
Jacob! Nach zwanzig verdammt langen Jahren …
Er war sichtbar älter geworden, wie sie alle, aber die dunklen Züge wirkten auf Jack so vertraut wie damals, als Jacob noch sein Held und Vorbild gewesen war.
„Was ist los?“, fragte Cara beunruhigt, doch Jack konnte seinen Blick einfach nicht abwenden. Jacob erschien ihm unglaublich kühl und beherrscht, während sein Blut wie sengende Lava durch die Adern schoss.
„Ich habe meine Meinung geändert“, sagte er barsch, umfasste Caras Schultern und drehte sie einfach um. „Lass uns nach oben in die Suite gehen.“
„Aber …“
„Jack.“
Es fühlte sich an, als stieße ihm jemand einen Dolch mitten ins Herz. Er hatte ihn nicht kommen sehen. Wäre er seinem ersten Instinkt gefolgt, hätte er Jacob einen Fausthieb mitten ins Gesicht verpasst. „Zur Hölle, Jacob! Geh mir aus dem Weg, ich will nicht mit dir reden, und ich will verdammt sein …“
Sein Bruder hob die Hände, als wolle er den aggressiven Wortschwall stoppen. „Ich verstehe, dass es ein Schock für dich sein muss. Wir reden miteinander, sobald du dich beruhigt hast.“
„Sobald ich mich beruhigt habe?“ Jack trat einen Schritt auf Jacob zu. Sein Blick, das starre Gesicht, die feindselige Haltung, ja, jede Faser seines Körpers schien erfüllt von purem Hass und drohender Gewalt. „ Ich bin nicht derjenige, der sich einfach aus seiner Verantwortung gestohlen hat, weil er dem Druck nicht standhalten konnte! Du kannst mir nichts sagen, was ich hören will!“
Jacob musterte seinen Bruder mit einem langen Blick, dann nickte er und wandte sich um. Am ganzen Körper bebend verfolgte Jack seinen Abgang. Hin- und hergerissen zwischen einem schalen Geschmack von Triumph, Frust und dem alten, kindlichen Gefühl, aufs Neue verlassen worden zu sein.
„Bist du hier fertig, Jack?“ Erst der sanfte Druck von Caras Fingern auf seinem Arm brachte ihn in die Gegenwart zurück.
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