Mein Herz ruft deinen Namen
du, es ist möglich, dass man eines Tages so weit kommt, das ganze Herz durch ein Schweineherz zu ersetzen?«
Ich dachte einen Augenblick darüber nach: »Wahrscheinlich wird es früher oder später so etwas geben – vielleicht ein modifiziertes Schweineherz oder ein künstliches Herz.«
Ein Schatten huschte über dein Gesicht, du griffst nach meiner Hand und legtest sie auf dein Herz.
»Versprich mir eines«, sagtest du flüsternd, »versprich mir, dass du, selbst wenn ich es bräuchte, nie so etwas mit mir machst, dass du nie mein Herz herausnehmen und stattdessen ein Schweineherz einsetzen wirst.«
Zart entzog ich dir die Hand. »Nein, das kann ich dir nicht versprechen«, antwortete ich, dir tief in die Augen blickend. »Wenn dein Leben in Gefahr wäre, würde ich dir auch das Herz einer Giraffe einpflanzen.«
Du nahmst erneut meine Hand. »Tu’s nicht, Matteo«, wiederholtest du, »tu’s nicht, ich bitte dich. Wenn es eines Tages so weit kommen sollte, lass mich gehen, Matteo.«
Selten benutztest du meinen Taufnamen, während ich deinen ständig im Munde führte. Der Name schwebte zwischen uns wie eine schmale Seilbrücke. »Aber wenn …«, versuchte ich einzuwenden.
Du legtest mir den Zeigefinger auf die Lippen. »Psstt«, machtest du kaum vernehmbar. »Fürchte nichts, es wird noch eine andere Zeit zum Zusammensein geben.«
Dann kehrte unvermittelt deine fröhliche Heiterkeit zurück, du griffst nach einem Kissen und warfst es mir ins Gesicht. »Die Wahrheit ist, dass du mich gern in eine Sau verwandeln möchtest!«
»Eine Sau? Unbedingt!«, erwiderte ich und setzte mich mit einem anderen Kissen zur Wehr. »Was ist schlecht daran, eine Sau zu begehren? Du hast doch gesagt, ich hätte Borsten, oder? Also?«
In jener Nacht haben wir uns lange und schweigend geliebt, in eine Vorsicht gehüllt, die uns bis dahin fremd war. Da gab es uns beide und rund herum die Nacht, und diese Nacht enthielt alle Nächte – die Nacht meines Herzens und des deinen, die Nacht, in der wir gezeugt wurden, und die, in der wir unser Kind gezeugt hatten, und auch die größere, geheimnisvolle Nacht, die – unvermutet – unseren letzten Atemzug in sich aufnehmen würde.
In diesen Augenblicken lag das Grundmuster des Lebens offen und bot uns das wehrlose Gesicht seiner Zerbrechlichkeit dar. Deshalb bewegten wir uns leise, atmeten leise und flüsterten einander noch leiser zu: »Ich liebe dich …«
16
Gestern war die letzte Nacht des Jahres.
Ich habe mich auf die Bank vor dem Stall gesetzt und dem Feuerwerk zugesehen, das das Tal erhellte.
Einige Kracher waren sehr laut, und die Schafe blökten unruhig bei dem Lärm, und die Vögel flogen mitten in der Nacht plötzlich auf. Ein Jahr beging ich den Fehler, im Bett zu bleiben, und wurde von der gleichen Aufregung erfasst, die Schafe und Vögel packt – die Dunkelheit wurde ständig von Zischen, Pfeifen und Detonationen durchbrochen, die Luft rundum bebte, und es lag keine Freude in diesem Beben, sondern eher Düsterkeit, Angst, ein Gefühl nahenden Todes. Deshalb gehe ich nun, wenn es Feuerwerk gibt, hinaus und schaue zu – die Leuchtstreifen zu sehen dämpft wenigstens teilweise die Urangst vor diesen Explosionen.
Du mochtest Silvesterfeiern gar nicht. Einmal, als ich dich gebeten hatte, mich auf ein Fest von Kollegen zu begleiten, schwiegst du den ganzen Abend. Beim Heimkommen, noch mit Konfetti bestreut, habe ich dich angegriffen: »Du hättest wenigstens so tun können, als ob du dich amüsierst!«
»Das hätte ich gerne getan, aber es ist mir nicht gelungen«, hast du mir verzagt geantwortet.
Genauso verhasst war dir die Karnevalsstimmung. Jedes Jahr wurden wir pünktlich wieder zu Kostümabenden eingeladen, und manchmal versuchte ich, es dir schmackhaft zu machen: »Wir könnten uns als Kaninchen verkleiden«, schlug ich vor, »oder als alte Ägypter.« Du runzeltest skeptisch die Stirn. »Aber du maskierst dich doch selber nicht gern.«
»Ja, das stimmt, aber ich versuche zu vermitteln. Ich finde es nicht nett, immer Nein zu sagen, immer als Spielverderber dazustehen. Wer weiß, vielleicht amüsieren wir uns dieses Mal ja.«
»Die Leute amüsieren sich nur, weil sie sich mit Alkohol aufputschen, wenn es nur Fruchtsaft gäbe, würde einem sofort klar, wie blöd man ist mit diesen Lumpen am Leib.«
Manchmal konnte ich deine Unnachgiebigkeit nicht teilen. Ich hatte eine Arbeit und daher eine Reihe von Beziehungen, die es zu pflegen galt, außerdem
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