Mein Herz so weiß
ich, ›denk nicht an sie mit so krankhaftem Gehirn. Schlafende und Tote sind nichts als Bilder, Vater. Über diese Taten darf man nicht grübeln: so macht es uns toll‹.). Sie erinnerte sich erst an ihren Satz, als ich sie an ihn erinnerte, und das bereitete ihr noch mehr Qual. Hätte ich ihr doch nichts erzählt. (›Sie hört das Geständnis dieser Handlung oder Tat oder Heldentat, und was sie zur wahren Komplizin macht, ist nicht, dass sie zu ihr angestiftet hat, sondern dass sie von dieser Handlung und von ihrem Vollzug weiß. Sie weiß, sie ist informiert, und das ist ihr Vergehen, aber sie hat das Verbrechen nicht begangen, sosehr sie es auch bedauern oder versichern mag, es zu bedauern, sich die Hände mit dem Blut des Toten beflecken ist ein Spiel, eine Vorspiegelung, ein falsches Band, das sie mit demjenigen knüpft, der tötet, denn man kann nicht zweimal töten, und nie gibt es Zweifel daran, wer ›ich‹ ist, und die Tat ist bereits getan. Man ist nur schuldig, die Worte zu hören, was nicht vermeidbar ist, und obwohl das Gesetz denjenigen, der gesprochen hat, der spricht, nicht rechtfertigt, weiß dieser doch, dass er in Wirklichkeit nichts getan hat, selbst wenn er Zwang ausübt mit seiner Zunge am Ohr, mit seiner Brust im Rücken, mit beschleunigtem Atem, mit seiner Hand auf der Schulter und dem unverständlichen Geflüster, das uns überzeugt.‹) Nichts.«
»Was haben Sie getan? Sie haben ihr alles erzählt«, sagte Luisa. Luisa fragte nur das Allernötigste.
»Ja, ich habe ihr alles erzählt«, sagte Ranz, »aber dir werde ich es nicht erzählen, nicht, was ich genau getan habe, nicht die Einzelheiten, wie ich sie umgebracht habe, das vergisst man nicht, und mir ist es lieber, du brauchst dich nicht daran zu erinnern und erinnerst mich fortan nicht daran, denn das würde passieren, wenn ich es dir erzählte.«
»Aber welche Erklärung gab es für ihren Tod? Niemand wusste die wahre, das können Sie mir doch erzählen«, sagte Luisa. Plötzlich bekam ich ein wenig Angst, sie fragte nur das Nötigste, und so würde sie es mir gegenüber tun, wenn sie mich eines Tages fragen müsste.
Ich hörte abermals das Geräusch der Eiswürfel, dieses Mal wurden sie im Glas bewegt. Ranz dachte wohl mit seinem krankhaften Gehirn nach, oder vielleicht war es das nicht mehr seit Jahrzehnten. Vielleicht richtete er sich, fast ohne es zu berühren, sein von Puder ganz weißes Haar. Vielleicht bot er, wie ich es eines Tages bei ihm gesehen hatte, den Anblick vorübergehender Hilflosigkeit. Dieser Tag rückte allmählich sehr fern.
»Ja, ich kann es dir erzählen, und auch darin täuscht sich Villalobos nicht«, sagte er schließlich. »Er wird einer der wenigen Lebenden sein, die sich noch daran erinnern können. Natürlich werden sich auch die Brüder von Teresa und Juana daran erinnern, wenn sie leben, so wie Juana selbst es wusste und sich erinnerte, und ihre Mutter. Aber mit meinen beiden Schwagern, meinen doppelten Schwagern, habe ich seit Jahren keinen Kontakt, seit Teresas Tod wollten sie nichts mehr von mir wissen, auch kaum etwas von Juana, wenn sie es auch nicht offen sagten: Juan zum Beispiel hat sie kaum gekannt. Von der Familie wollte nur die Mutter, Juans Großmutter, weiter Kontakt zu mir halten, ich glaube, mehr als alles andere, um ihre Tochter zu beschützen, um über Juana zu wachen und sie nicht ihrer Ehe auszuliefern. Ihrer gefährlichen Ehe mit mir, dachte sie, nehme ich an. Ich werfe es ihr nicht vor, alle hatten sie den Verdacht, dass ich irgendwie Schuld haben müsste und dass ich etwas verschwieg, als Teresa sich umbrachte, hingegen schöpfte seinerzeit niemand Verdacht in Bezug auf den anderen Tod. Du siehst, das eigene Leben hängt nicht von den eigenen Handlungen ab, davon, was man tut, sondern davon, was die anderen von einem wissen, was sie wissen, dass man getan hat. Ich habe seither ein normales und sogar angenehmes Leben geführt, man kann nach allem weiterleben, wir, die wir es können: Ich habe Geld verdient, ich habe einen Sohn, über den ich mich freue, ich habe Juana geliebt und sie nicht unglücklich gemacht, ich habe in dem Bereich gearbeitet, der mich am meisten anzog, ich habe Freunde gehabt und gute Bilder. Ich habe meinen Spaß gehabt. All das ist möglich gewesen, weil niemand etwas gewusst hat, nur Teresa. Was ich getan habe, wurde getan, aber der große Unterschied für das, was danach kommt, besteht nicht darin, es getan zu haben oder nicht, sondern darin, dass es
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