Mein Herz so weiß
man einander missbraucht, dann sind die Geschlechter bisweilen das Einzige, was sich versöhnen lässt, und dass sie vielleicht bekleidet in der Mitte des Zimmers standen, das dem meinen genau glich, wo sie zusammengetroffen waren, bevor Miriam das Letzte gesagt hatte, was ich von ihr gehört hatte, »Du bist ein Dreckskerl, Guillermo«, gewiss hatte sie es barfuß gesagt. Ihre so kräftigen Beine, dachte ich, konnten es lange stehend, konnten alles aushalten, ohne nachzugeben noch zurückzuweichen, noch Halt zu suchen, so wie sie auf der Straße gewartet hatten, wie Messer in den Boden gerammt, jetzt machte sie sich bestimmt keine Sorgen mehr um die rebellischen Falten ihres Rockes, wenn sie ihn noch trug, der Rock jetzt eine einzige Falte und die Tasche endlich vergessen, oder der Rock auf einem Stuhl. Ich weiß nicht, es war nichts zu hören, nicht einmal Atemzüge, und deshalb erhob ich mich mit größter oder doch nicht so großer Vorsicht vom Fußende des Bettes, denn ich wusste ja, dass Luisa wach war und ohnehin so tun würde, als schliefe sie weiter, und trat abermals auf den Balkon hinaus. Jetzt war es auch von der Stunde her Abend, und die Bewohner Havannas befanden sich bestimmt beim Abendessen, die vom Hotel aus sichtbaren Straßen waren fast leer, ein Glück, dass Miriam nicht mehr wartete, von allen verlassen. Der Mond war fleischig, und die Luft stand still. Wir befanden uns auf einer Insel, an einem anderen Ende der Welt, aus dem ich zu einem Viertel stammte; der Ort, an dem sich unsere Geschichte konsolidiert hatte und an dem wir gemeinsam leben würden, Madrid, unsere Ehe, war sehr weit weg, und es schien, als würde die Ferne des Ortes, der uns zusammengeführt hatte, auch uns ein wenig trennen auf unserer Hochzeitsreise, oder vielleicht entfernten wir uns, weil wir das nicht teilten, was für niemanden ein Geheimnis war und sich doch in eines verwandelte, weil wir es nicht teilten. Der Mond war fleischig und derselbe. Vielleicht kann man aus der Ferne den Tod einer Person wünschen und herbeireden, die einem sehr nahe steht, dachte ich, mit aufgestützten Ellbogen. Wenn man es aus der Entfernung tut, wenn man ihn aus der Entfernung plant, dann wird das Ganze vielleicht zum Spiel und zu einer Phantasie, und sie sind alle zulässig, die Phantasien. Die Tatsachen sind es nicht, für sie gibt es keine Abänderung und kein Zurück, nur Verheimlichung. Für die gehörten Worte nicht einmal das, sondern höchstens mit ein wenig Glück Vergessen.
Plötzlich, vom Balkon her, durch die Balkontür und nicht mehr durch die Wand, durch ihre Balkontür, die angelehnt geblieben war, und durch unsere, die offen war und in der ich stand, die Ellbogen aufgestützt, hörte ich abermals deutlich die Stimme Miriams, und jetzt sprach sie nicht, sondern sie trällerte, und was sie trällerte, war Folgendes:
»Mamita mamita, yen yen yen, Schlange verschluckt mich, yen yen yen.«
Sie unterbrach das gerade begonnene Trällern und sagte ohne Übergang (aber auch ohne Gereiztheit) zu Guillermo:
»Du musst sie umbringen.«
»Ist gut, ist gut, ich werde es tun, aber jetzt streichel mich weiter«, antwortete er. Diese Worte beunruhigten mich jedoch nicht, noch bekümmerten sie mich, noch erschreckten sie mich (ob Luisa, weiß ich nicht), denn sie hatte sie wie eine überdrüssige Mutter gesagt, die einem hartnäckigen Kind, das sich auf etwas Unmögliches versteift, irgendetwas antwortet, ohne zu überlegen. Mehr noch, ich glaubte in jenem Augenblick, aufgrund dieser Antwort, zu wissen, dass Guillermo, sollte jene Frau in Spanien existieren, ihr keinen Schaden zufügen würde, und dass in dieser Situation oder Geschichte es in jedem Fall Miriam wäre, welche den Schaden davontragen würde. Ich glaubte in diesem Augenblick zu wissen, dass Guillermo log (er log in einer Sache), und ich vermutete, dass auch Luisa, die gleich mir so sehr daran gewöhnt war, zu übersetzen und das Zittern zu gewahren und Aufrichtigkeit in der Sprechweise zu erkennen, es gemerkt hatte und Erleichterung verspürt hatte, nicht in Bezug auf Miriam, wohl aber in Bezug auf die kranke Frau.
Und Miriam, die Guillermos Unaufrichtigkeit in diesen Momenten vermutlich nicht bemerkt oder beschlossen hatte, sich eine Weile auszuruhen und sie nicht zu bemerken oder sich einmal mehr etwas vorzumachen oder einfach ein paar Augenblicke lang nachzulassen im Ehrgeiz ihres Lebens, trällerte noch ein wenig, und ich wusste, was sein würde. Es war mehr Zeit
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