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Mein Herz so weiß

Mein Herz so weiß

Titel: Mein Herz so weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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diese Gebärde mir gegolten hatte, »Du gehörst mir«, »Hab ich dich jetzt«, »Komm her«, »Du stehst in meiner Schuld«, »Ich bring dich um«). Ich schaute mich im Spiegel an und richtete mich ein wenig auf, damit mein Gesicht besser beleuchtet wurde von dem entfernten Licht des Nachttisches und meine Gesichtszüge mir nicht so düster, so umschattet, so ohne meine Vergangenheit, so leichenhaft vorkamen; und als ich es tat, rückte in das Gesichtsfeld jenes Spiegels der Kopf von Luisa, der aufgrund seiner Nähe zur Lampe stärker erhellt war, und ich sah, dass ihre Augen offen standen und wie abwesend wirkten, während sie mit dem Daumen über die Lippen strich, liebkosend, eine häufige Geste bei denen, die zuhören, oder bei ihr, wenn sie es tut. Als sie merkte, dass ich sie widergespiegelt sah, schloss sie sofort die Augen und hielt den Daumen ruhig, als wollte sie mich weiter glauben machen, dass sie schlief, als wünschte sie keine Veranlassung zu geben, dass sie und ich jetzt oder später über das sprächen, was wir beide – das entdeckte ich jetzt – aus dem Mund des Landsmannes Guillermo und der weißen Mulattin Miriam gehört hatten. Ich dachte, dass sie das Unbehagen, das ich empfand, noch stärker spüren musste, verdoppelt (eine Frau und Ehefraukandidatin, eine Ehefrau und Todeskandidatin), so sehr, dass es ihr lieber war, jeder hörte für sich zu, allein, nicht gemeinsam, und jeder behielte die Gedanken und die Gefühle, welche die benachbarte Unterhaltung und die sich daraus ergebende Situation in uns auslösten, für sich, unausgesprochen, und der eine wüsste nichts von denen des anderen, die vielleicht die Gleichen waren. Das ließ mich sogleich den Verdacht hegen, dass sie sich vielleicht allem Anschein zum Trotz (sie hatte so froh gewirkt während der Zeremonie, sie äußerte mir gegenüber ihre Freude ohne jeden Vorbehalt, sie genoss die Reise sehr, sie war so wütend darüber gewesen, dass ihr wegen ihres Unwohlseins ein ganzer Nachmittag mit Besichtigungen und Spaziergängen in Havanna verlorengegangen war) ebenfalls durch den Verlust ihrer Zukunft oder durch deren Eintreffen bedroht und beunruhigt fühlte. Wir missbrauchten einander nicht, und deshalb würde sich das, was wir sagten, was wir sagen oder bestreiten mochten oder uns vorwerfen könnten (was uns verdüstern würde), nicht von alleine oder nach einer Pause auflösen, sondern es würde sein Gewicht haben, es würde sich auswirken auf das, was käme, auf das, was uns widerfahren würde (und es musste uns noch ein halbes gemeinsames Leben widerfahren); und so wie ich davon abgesehen hatte, das zu formulieren, was ich jetzt formuliere (meine Vorahnungen seit der Hochzeit und später), sah ich, dass Luisa die Augen schloss, damit ich sie nicht an meinen Empfindungen in Bezug auf Guillermo und Miriam und die kranke spanische Frau teilnehmen lassen konnte, noch sie mich an ihren. Es war kein Misstrauen oder mangelnde Partnerschaft oder Geheimniskrämerei. Wir taten nichts weiter, als uns in der Überzeugung oder im Aberglauben einzurichten, dass nicht existiert, was nicht ausgesprochen wird. Und es stimmt, dass wir nur das, was nicht ausgesprochen und nicht ausgedrückt wird, niemals übersetzen.
    Während ich diese Überlegungen anstellte (sie dauerten nur kurz) und ein paar Sekunden lang (sie dauerten länger, womöglich Minuten) den Kopf Luisas im Spiegel betrachtete und sah, dass sie darauf beharrte, die Augen geschlossen zu halten, die offen und nachdenklich gewesen waren, kamen mir vorübergehend das Zeitgefühl und die Aufmerksamkeit abhanden (ich schaute, also hörte ich nicht), oder vielleicht schwiegen Guillermo und Miriam immer noch und machten aus dieser Pause eine wortlose Versöhnung, oder aber sie senkten die Stimme nicht mehr nur auf ein schneidendes Gemurmel, sondern auf ein Flüstern, das auf meiner Seite der Wand völlig unhörbar war. Ich schärfte abermals mein Gehör, und eine Weile lang hörte ich nichts, es war nichts zu hören, ich fragte mich sogar, ob sie in jenen Momenten meines Abgelenktseins nicht das Zimmer verlassen hatten, ohne dass ich es gemerkt hatte, vielleicht hatten sie beschlossen, eine Erholungspause einzulegen und hinunterzugehen, um etwas zu essen, womöglich hatten sie sich ursprünglich nur dazu verabredet, und nicht, sich oben zu sehen. Ich konnte nicht umhin zu denken, dass ihre wortlose Versöhnung, sollte sie stattfinden, ebenfalls eine sexuelle Versöhnung sein müsste, denn wenn

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