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Mein Herz so weiß

Mein Herz so weiß

Titel: Mein Herz so weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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schlief, und ich flüsterte ihr ins Ohr:
    »Morgen geht’s dir wieder gut, mein Liebling. Schlaf jetzt.«
    Ich rauchte eine Weile, auf dem Laken sitzend, ohne noch etwas aus dem angrenzenden Zimmer zu hören: Miriams Singsang war Vorspiel des Schlafes und Ausdruck der Müdigkeit gewesen. Es war zu heiß, ich hatte nichts zu Abend gegessen, ich war nicht schläfrig, ich war ja nicht müde, ich trällerte nicht, ich machte die Lampe noch nicht aus. Luisa war wach, aber sie sprach nicht mit mir, sie antwortete noch nicht einmal auf meinen Satz mit den guten Wünschen, als hätte sie sich auf dem Umweg über Guillermo, dachte ich, oder über Miriam mit mir zerstritten und wollte es nicht zeigen, besser, man wartete, dass es sich im Schlaf auflöste, der uns nicht überkam. Mir war, als hörte ich, dass Guillermo jetzt seine Balkontür schloss, aber ich stand nicht mehr in meiner und ging auch nicht hin, um nachzusehen. Ich klopfte die Asche der Zigarette ab, schlecht gezielt und viel zu heftig, und die Glut fiel auf das Laken, und bevor ich sie mit den Fingern fasste, um sie in den Aschenbecher zu tun, wo sie sich allein aufzehren und nichts verbrennen würde, sah ich, wie sie ein glutgesäumtes Loch im Laken machte. Ich glaube, ich ließ es länger wachsen, als angezeigt war, denn ich schaute einige Sekunden lang, wie es wuchs und der Kreis sich ausweitete, ein Fleck, der schwarz und glühend zugleich war und das Laken fraß.

L uisa hatte ich fast ein Jahr zuvor auf leicht komische und auch leicht feierliche Weise bei der Ausübung meiner Arbeit kennengelernt. Wie ich schon sagte, arbeiten wir beide hauptsächlich als Übersetzer oder Dolmetscher (um Geld zu verdienen), ich mehr als sie oder mit größerer Regelmäßigkeit, was überhaupt nicht heißt, dass ich kompetenter bin als sie, eher umgekehrt, sie ist kompetenter, oder zumindest war man dieser Ansicht, als wir uns kennenlernten, oder man war der Ansicht, sie habe insgesamt als vertrauenswürdiger zu gelten.
    Glücklicherweise beschränken wir uns nicht darauf, unsere Dienste bei den Sitzungen und in den Büros der internationalen Organisationen zu leisten. Obwohl dies den unübertrefflichen Vorteil bietet, dass man in Wirklichkeit nur die Hälfte des Jahres arbeitet (zwei Monate in London oder Genf oder Rom oder New York oder Wien oder sogar Brüssel und danach zwei Monate Ruhezeit zu Hause, um dann wieder weitere zwei Monate oder weniger an dieselben Orte oder sogar nach Brüssel zurückzukehren), ist das Übersetzen oder Dolmetschen von Reden und Berichten äußerst langweilig, sowohl aufgrund des immer gleichen und im Grunde unverständlichen Jargons, den ohne Ausnahme sämtliche Parlamentarier, Delegierten, Minister, Regierungschefs, Abgeordneten, Botschafter, Experten und allgemeinen Repräsentanten aller Nationen der Welt verwenden, als auch aufgrund der unveränderlich lethargischen Natur ihrer sämtlichen Reden, Aufrufe, Proteste, Rügen und Berichte. Jemand, der diesen Beruf nicht ausgeübt hat, mag denken, dass er amüsant oder zumindest interessant und abwechslungsreich sein muss, mehr noch, er mag sogar denken, dass man sich gewissermaßen im Zentrum der Entscheidungen der Welt befindet und vollständige, privilegierte Information aus erster Hand erhält, Information über alle Aspekte des Lebens der verschiedenen Völker, politische und städtebauliche, landwirtschaftliche und rüstungsbezogene, viehwirtschaftliche und kirchliche, physikalische und linguistische, militärische und olympische, polizeiliche und touristische, chemische und propagandistische, sexuelle und fernsehtechnische und virologische, sportliche und bankspezifische und automobilistische, hydraulische und polemologische und ökologische und sittengeschichtliche Information. Es stimmt, dass ich im Lauf meines Lebens Reden oder Texte aller möglichen Personen über die erstaunlichsten Themen übersetzt habe (zu Beginn meiner Laufbahn kamen aus meinem Mund die postumen Worte des Erzbischofs Makarios, um jemand Seltenen zu nennen), und ich war fähig, in meiner eigenen Sprache oder in einer anderen der Sprachen, die ich verstehe und spreche, lange Tiraden zu wiederholen über so spannende Themen wie die Bewässerungssysteme oder die sozialen Randgruppen in Swasiland und Burkina (zuvor Burkina-Faso, Hauptstadt Ouagadougou), denen es wie überall sehr schlecht geht; ich habe komplizierte Argumentationen wiedergegeben darüber, ob es angebracht oder demütigend sei, die Kinder im

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