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Mein Herz so weiß

Mein Herz so weiß

Titel: Mein Herz so weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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zu ihr. Ich brach in schallendes Lachen aus, diese kurze Szene hatte ich als Kind nicht gesehen, ich war sicher, es war das erste Mal, dass ich sie sah und hörte.
    Ich schaltete den Ton aus, wie Luisa mich gebeten hatte. Ich war nicht schläfrig, aber wenn zwei zusammen schlafen, muss eine minimale Übereinstimmung in Bezug auf die Stunde des Zubettgehens und des Aufstehens, des Mittagessens und des Abendessens herrschen, das Frühstück ist etwas anderes, mir fiel ein, dass ich keine Milch gekauft hatte. Luisa würde sich am Morgen aufregen, ich hatte versprochen, dafür zu sorgen. Obwohl sie einen guten Charakter hat.
    »Ich habe vergessen, Milch zu kaufen«, sagte ich zu ihr.
    »Schön, dann werde ich eben schnell runtergehen«, antwortete sie.
    Ich schaltete den Fernseher aus, und das Zimmer blieb im Dunkeln, meine Lampe war nicht an gewesen, weil ich es nicht geschafft hatte, zu lesen. Ein paar Sekunden lang sah ich nichts, dann gewöhnten sich meine Augen ein wenig an die Dunkelheit, niemals ganz, Luisa schläft gern bei heruntergelassener Jalousie, ich nicht. Ich drehte mich um und wandte ihr den Rücken zu, wir hatten uns nicht Gute Nacht gesagt, aber vielleicht würde es nicht nötig sein, dass wir uns immer Gute Nacht sagten, jeden Abend im Lauf künftiger Jahre. Aber an jenem Abend vielleicht doch, noch.
    »Gute Nacht«, sagte ich.
    »Gute Nacht«, antwortete sie.
    Beim Gutenachtsagen hatten wir einander bei keinem dieser üblichen Namen genannt, Paare sind außerstande, keine zu haben, mehrere, oder zumindest einen, um glauben zu können, dass sie andere oder nicht immer dieselben sind, und um zu vermeiden, sich bei ihren richtigen Namen zu nennen, die sie für die Momente aufheben, wenn sie sich beleidigen oder böse sind oder eine schlechte Nachricht mitteilen müssen, zum Beispiel, dass jemand verlassen wird. Mein Vater dürfte Namen von zumindest drei Frauen erhalten haben, vielleicht wird ihm alles gleich geklungen haben, ähnlich, eine Wiederholung, bestimmt geriet er durcheinander, oder vielleicht nicht, gewiss war es mit jeder Frau anders, beim Überbringen einer schlechten Nachricht hätte er sie Juana und Teresa und bei einem anderen Namen genannt, den ich nicht kenne, aber den er nicht vergessen haben wird. Mit meiner Mutter hatte er über lange Jahre verfügt, mit meiner Tante Teresa hatte er fast keine Zeit gehabt, vielleicht so kurze Zeit, wie Luisa und ich verheiratet waren, für sie hatte es keine künftigen Jahre gegeben, nicht einmal Monate, sie hatte sich umgebracht, Custardoy zufolge. Und die Dritte, welche die Erste war, wie lange hatte sie wohl gedauert, wie mochten sie sich genannt haben beim Gutenachtsagen und Umdrehen oder nur sie ihn oder nur er sie, wenn jeder für sich das geteilte Kissen einnahm (und das ist eine Redensart, denn es gibt immer zwei Kopfkissen).
    »Ich will es nicht wissen, wenn du eines Tages die Absicht hast, mich umzubringen«, sagte ich im Dunkeln zu Luisa.
    Vielleicht klang es ernst, denn sie wandte sich im gleichen Augenblick um, und ich bemerkte sofort ihre Berührung, die ich schon eine ganze Weile verloren hatte, ihre vertraute Brust an meinem Rücken, und augenblicklich fühlte ich mich gestärkt. Ich drehte mich um, und dann spürte ich ihre Hände auf meinen Schläfen, die mich streichelten oder mich auszankten, und ich spürte ihre Küsse auf Nase, Augen und Mund, auf Kinn, Stirn und Wangen (es ist das ganze Gesicht). Mein Gesicht ließ sich alles küssen, was an ihm küßbar ist, denn in diesem Augenblick, nach diesem Satz – nachdem ich ihr das Gesicht zugewandt hatte – war ich es, der sie beschützte und ihr den Rücken stärkte.

K urze Zeit darauf, wie ich schon sagte, nach der Hochzeitsreise und auch nach dem Sommer, musste ich aufgrund meiner Arbeit als Übersetzer und Dolmetscher für internationale Organisationen (jetzt mehr als Dolmetscher) verreisen. Die Übereinkunft mit Luisa bestand darin, dass sie eine Zeit lang weniger arbeiten und sich mit der Einrichtung unserer gemeinsamen und (künstlich) neuen Wohnung beschäftigen würde, bis wir in der Lage wären, unsere An- und Abwesenheit so weit wie möglich in Übereinstimmung zu bringen, oder sogar unsere Beschäftigung ändern würden. Im Herbst, Mitte September, beginnt in New York die Sitzungsperiode der Vollversammlung der Vereinten Nationen, die drei Monate dauert, und dorthin musste ich mich wie in anderen Jahren, in denen ich Luisa noch nicht kannte, in meiner Eigenschaft

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