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Mein Herz so weiß

Mein Herz so weiß

Titel: Mein Herz so weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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natürlichen Bewegung, das heißt, sie rückte mit ihrer Brust ab von meinem Arm, es gab keine Berührung mehr. Sie nahm eine Zigarette vom Nachttisch, zündete sie an, zog zweimal rasch daran, versuchte, Asche abzuklopfen, die sich noch nicht gebildet hatte, plötzlich war sie ein wenig nervös, ein wenig ernst entgegen ihrer Gewohnheit. Es war das erste Mal, dass ein Kind erwähnt wurde, keiner von beiden hatte bislang jemals von diesem Plan gesprochen, es war zu früh, auch jetzt nicht, die erste Erwähnung war kein Plan gewesen, sondern eine Hypothese, die dazu diente, etwas anderes zu veranschaulichen. Ohne mich anzusehen, sagte sie:
    »Natürlich werde ich wissen wollen, ob du eines Tages die Absicht hast, mich umzubringen, wie der Mann im Hotel in Havanna, dieser Guillermo.« Sie sagte es, ohne mich anzusehen, und sie sagte es rasch.
    »Du hast es gehört?«
    »Natürlich habe ich es gehört, ich war da genau wie du, wie hätte ich es nicht hören können.«
    »Ich wusste nicht, du warst schläfrig, durch das Fieber, deshalb habe ich dir nichts davon gesagt.«
    »Du hast es mir auch nicht am nächsten Tag gesagt, wenn du geglaubt hast, dass ich nichts mitbekommen hatte. Du hättest es mir erzählen können, so wie du mir alles erzählst. Oder vielleicht erzählst du mir ja wirklich nicht alles.«
    Luisa war plötzlich verärgert, aber ich konnte nicht wissen, ob es daran lag, dass ich ihr nicht erzählt hatte, was sie, wie sie zugab, gehört hatte, oder ob der Verdruss sich gegen Guillermo richtete oder vielleicht gegen Miriam oder sogar gegen die Männer insgesamt, Frauen haben ein stärkeres Gruppengefühl und ärgern sich oft über alle Männer zugleich. Sie konnte auch verärgert sein, weil die erste Erwähnung des Kindes hypothetisch und beiläufig und kein Vorschlag oder Wunsch gewesen war.
    Sie griff nach der Fernbedienung des Fernsehapparats und ging rasch die anderen Kanäle durch, um dann wieder am Ausgangspunkt anzulangen. Jerry Lewis versuchte, Spaghetti zu essen: Er hatte begonnen, die Gabel zu drehen und zu drehen, und jetzt war der ganze Arm in die Nudeln eingewickelt. Er blickte ihn perplex an und biss immer wieder von ihm ab. Ich lachte wie ein Kind, diesen Film hatte ich in meiner Kindheit gesehen.
    »Wie fandest du diesen Guillermo?«, fragte ich. »Was glaubst du, dass er tun wird?« Jetzt konnte ich die Unterhaltung führen, die wir seinerzeit nicht hatten führen wollen, weder Luisa noch ich, das Fieber. Es kann sein, dass alles seiner Wiederherstellung harrt, aber nichts kommt so wieder, wie es gewesen wäre und nicht gewesen ist. Jetzt war es nicht mehr wichtig, sie hatte es brutal und leichthin zum Ausdruck gebracht, sie hatte zu mir gesagt: ›Ich werde wissen wollen, ob du eines Tages die Absicht hast, mich umzubringen.‹ Ich hatte darauf noch nicht geantwortet, es ist leicht, nicht auf das zu antworten, was man nicht beantworten will, wenn man alles kommentiert und ohne Pause redet, die Worte überlagern sich, und die Gedanken sind nicht von Dauer und verschwinden, obwohl sie bisweilen wiederkehren, wenn man insistiert.
    »Das Schlimmste ist, dass er nichts tun wird«, sagte Luisa. »Alles wird weitergehen wie bisher, diese Miriam wird warten, und die Frau wird im Sterben liegen, wenn sie wirklich krank ist oder existiert, was die andere mit Recht bezweifelt hat.«
    »Ich weiß nicht, ob sie krank ist, aber bestimmt existiert sie«, sagte ich. »Dieser Mann ist verheiratet«, erklärte ich sentenziös.
    Luisa schaute mich noch immer nicht an, sie sprach zu Jerry Lewis hin und blieb schlecht gelaunt. Sie ist jünger als ich, vielleicht hatte sie den Film in ihrer Kindheit nicht gesehen. Ich hatte Lust, den Ton anzudrehen, aber ich tat es nicht, das hätte das Gespräch beendet. Außerdem hielt sie die Fernbedienung in der Hand, in der anderen die schon halb gerauchte Zigarette. Es war warm, nicht sehr, ich sah ihren plötzlich feucht gewordenen Ausschnitt, er glänzte ein wenig.
    »Das ist egal, auch wenn sie sterben würde, er würde nichts tun, er würde diese Frau nicht aus Havanna mitnehmen.«
    »Warum? Du hast sie nicht gesehen, ich ja. Sie war hübsch.«
    »Sicher, aber sie ist auch eine Frau, die ihm auf die Nerven geht, und das weiß er, oder er ahnt es. Und zwar immer, hier und dort, als Geliebte und als Ehefrau, diese Frau hat keine anderen Interessen als die, die von außen kommen, sie hängt nur am anderen, es gibt noch immer viele, die so sind, man hat ihnen nur

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