Mein Herz springt (German Edition)
gegenüber darunter leiden? Ich nehme mir fest vor, mich in Hamburg von meiner besten fachlichen wie persönlichen Seite zu zeigen. Schließlich werden neben Hanno noch andere Kollegen vor Ort sein.
Um meine innere Anspannung im Vorfeld des Treffens etwas abzubauen, entschließe ich mich für eine kurze SMS. Es ist inzwischeneinige Zeit seit Bonn vergangen. Hanno kann meine Kontaktaufnahme keinesfalls als bedrängend interpretieren. Ich schreibe unverfänglich: »Lieber Hanno, ich freue mich auf kommenden Donnerstag. Fachlich wie persönlich. LG Betty.«
Nach ein paar Sekunden erhalte ich die Antwort: »Ich freue mich auch. Hanno.«
Ich frage mich nicht, ob er seine Freude auf die fachliche oder persönliche Ebene bezieht. Freude ist Freude. Und Freude ist erst einmal eine gute Voraussetzung – alleine schon die Antwort auf meine SMS an sich.
Ich bereite mich intensiv auf das erste Treffen vor. Jeden Abend, wenn Frieda im Bett ist, lese ich Artikel, die in diversen Journalen zu dem Thema, an dem wir forschen werden, veröffentlicht wurden. Und ich muss zugeben, dass mir das großen Spaß macht. Nicht nur, weil ich vor Hanno glänzen möchte. Der neue Wissensinput und die Chance, mich beruflich weiterzuentwickeln, lassen mich regelrecht aufblühen. Hanno hat neuen Schwung in mein Leben gebracht – in jeglicher Hinsicht.
An Kalles Blicken merke ich, wie stolz er auf mein Engagement und meinen Willen ist, mein Können unter Beweis zu stellen. Kalle hat mich – seit ich ihn kenne – immer in allem unterstützt, was ich mir vorgenommen habe. Sei es meine Auslandsstation in Paris, meine zügige Rückkehr in den Job nach der Elternzeit oder mein intensives Tennistraining bis vor ein paar Jahren. Er ist mein Anker, mein Fels in der Brandung. Ich könnte mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. Uns verbindet mehr, als sich durch Worte beschreiben ließe.
Auch meine Reise nach Hamburg unterstützt Kalle. Da meine Mutter mit meinem Vater für ein paar Tage an die mecklenburgische Ostseeküste gefahren ist, versucht er, seine Termine so zu legen, dass er sich selbst um Frieda kümmern kann. Ich weiß,dass Frieda die Zeit mit ihrem Papa sehr genießt. Die beiden gehen nachmittags schwimmen oder gucken sich ein Stück im nur ein paar Straßen von unserer Wohnung entfernten Kindertheater »Mary Poppins« an. Die Zeit mit Papa scheint für Frieda aufregender zu sein als die mit mir. Sie ist etwas Besonderes. Mit mir steht meistens routinemäßig Spielplatz oder Spielen zu Hause auf dem Programm. Nach meinem Arbeitstag in der Klinik habe ich selten die Energie für außergewöhnliche Aktionen. Mit Kalle ist das anders. Wenn er sich Zeit für Frieda nimmt, ist er kreativ. Er will ihr etwas nicht Alltägliches bieten, ihr immer das Besondere auf dieser Welt zeigen. Ich bewundere Kalle oft um diese Rolle, auch wenn ich zugeben muss, dass ich um die Entlastung dankbar bin, die er mir in diesen Stunden bietet.
Am Abend vor meiner Abreise nach Hamburg telefoniere ich mit Maya. Leider haben wir seit unserem letzten Abend in der »Flocke« kein persönliches Treffen, außer unserem obligatorischen Nachmittagskaffee bei passenden Dienstzeiten, zustande gebracht. Maya weist mich darauf hin, dass ich durchaus auch außerhalb der heiligen Hallen der Kardiologieabteilung für Gesprächsstoff sorge. Sie fragt, in ihrer üblichen Art ganz direkt: »Süße, jetzt sag mal ehrlich, wie bist du denn an dieses renommierte Forschertrüppchen geraten? Du hast doch seit Friedas Geburt nicht mehr so richtig den Anschein gemacht, dass du karrieretechnisch noch einmal Gas geben möchtest.«
Ich bin ziemlich verwundert über Mayas Meinung zu meiner Arbeitsmoral. »Ja, zugegebenermaßen habe ich mich in der Klinik nicht sonderlich in den Vordergrund gespielt. Ich wollte den Spagat, den ich zwischen Job und Familie zu stemmen habe, nicht unnötig ausreizen. Ich wollte mir sicher sein, dass ich beides unter einen Hut bekomme. Aber es war auch immer klar, dass ich mich irgendwann einmal wieder beruflichweiterentwickeln möchte.« Ich antworte entsprechend schnippisch: »Habt ihr mich alle schon auf‘s Abstellgleis gestellt, nur weil ich ein Kind bekommen habe? In welcher Zeit leben wir überhaupt? Und was für einen Eindruck hast du von mir? Wenn die anderen so über mich sprechen, ist das die eine Sache, aber du bist eine meiner besten Freundinnen, du solltest mich besser kennen.«
Stille am Telefon.
»Tut mir leid, Betty. Das war nicht so gemeint.
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