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Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)

Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)

Titel: Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult , Samantha van Leer
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sich so klein wie ein Stecknadelkopf, um dann, mit einem plötzlichen Knall, einen goldenen Strahlenkranz zu verströmen.
    Das Leuchten war glühender, heißer, weiter als bei Glint und Ember – aber es verlosch auch schneller wieder
    »Du bist dran«, sagte Glint und hob dabei eine fein geschwungene, silberne Augenbraue.
    »Wartet. Wenn ich gewinne«, entgegnete Oliver, »will ich sicheres Geleit.«
    Die Feen, die jetzt unausgesetzt blinzelten, flüsterten miteinander. »Sicheres Geleit«, willigten sie ein.
    Oliver griff in Socks’ Satteltasche und zog das Proviantpaket hervor, das der Palastkoch ihm vor seiner Abreise gegeben hatte. Es enthielt zwei hartgekochte Eier, ein Stück Käse und einen Laib Brot. Außerdem einen kleinen Kordelzugbeutel mit Gewürzen.
    Oliver öffnete die Kordel und blies sanft auf das Pfefferhäufchen, sodass es in einer Wolke aufstieg und die Feen einhüllte.
    Glint, Sparks und Ember niesten gleichzeitig, und in diesem Moment brachte ein Feuerwerk aus Lichtblitzen den gesamten Zauberwald zum Erglühen.
    »Tja«, sagte Oliver und schwang sich wieder in den Sattel. »Es ist ja wohl eindeutig, dass ich …«
    Doch bevor er zu Ende sprechen konnte, musste auch Socks heftig niesen. Er bäumte sich auf und traf mit einem Huf unabsichtlich Glint, die ihn in Notwehr zwickte.
    Wieder klammerte Oliver sich in Todesangst fest, während der durchgegangene Hengst in den Zauberwald hineinstürmte. Schließlich brachen sie durch tiefes Dickicht, und gerade rechtzeitig bemerkte Oliver, dass sie sich einer Klippe näherten. Und zwar in halsbrecherischer Geschwindigkeit.
    »Brrrr!«, brüllte er und riss an den Zügeln.
    Zwei Meter bis zum Rand der Klippe. Ein Meter. Ein halber. Wie durch ein Wunder blieb Socks am äußersten Rand abrupt stehen.
    »Gott sei Dank«, sagte Oliver.
    Seine Worte kamen allerdings zu früh.
    Denn Socks blieb zwar stehen, aber Oliver nicht. Er purzelte über den Kopf des Pferdes, fiel die Klippe hinunter und hinein in den tosenden Ozean.

O liver
    Es gibt nur eine einzige Seite im Buch, auf der ich allein bin, wo es keine andere Person gibt, auf deren Stichwort hin ich etwas sagen oder tun muss.
    Und dort teste ich manchmal, unmittelbar bevor der Leser zu lesen beginnt, meine Grenzen.
    Ich singe zum Beispiel aus voller Kehle.
    Oder treibe es auf die Spitze, indem ich auf dem Boden sitzend warte, bis das Buch mich im letzten Moment die Klippe hinaufzieht.
    Manchmal versuche ich zum Rand der Klippe zu gelangen, dorthin, wo der Fels einen Sprung aufweist, weil irgendjemand vor Jahren die Seite umgeknickt hat.
    Gelegentlich klettere ich zum höchsten Punkt, um über den verschwommenen Rand der Illustration hinaussehen zu können.
    All das spielt keine Rolle, weil sowieso niemand bemerkt, was ich treibe, und weil ich jedes Mal zurückgesaugt werde in den Fluss des Märchens.
    Bis heute.
    Sobald ich merkte, dass Delilah das Schachbrett im Sand entdeckt hatte – das in der Geschichte überhaupt nicht vorkommt –, begann ich mich zu fragen, ob vielleicht sie diejenige sein könnte, welche … Diejenige, welche in der Lage wäre, auch noch andere Dinge wahrzunehmen, die nicht Teil der Geschichte sind.
    Vor allem mich.
    Zumindest konnte ich diesen Augenblick nicht verstreichen lassen, ohne es zu versuchen. Also habe ich die Worte » H ILF MIR « in den Felsen geritzt, und sie hat es gesehen. Ich weiß ganz sicher, dass sie es gesehen hat.
    Ich klammere mich an die Felswand und halte den Atem an, weil ich solche Angst habe, dass sie einfach die Seite umblättern wird, genau wie alle anderen.
    Aber sie tut es nicht.
    »Wie?«, fragt sie, und ganz langsam drehe ich mich so, dass ich sie direkt ansehen kann.
    Ich räuspere mich, versuche, laut zu sprechen. Es ist eine Ewigkeit her, seit meine Stimme irgendwohin projiziert wurde außer in den Kopf eines Lesers, und Sprechen kostet jemanden, der daran nicht gewöhnt ist, höchste Konzentration. »Kannst du … kannst du mich hören?«, frage ich.
    Sie schnappt nach Luft. »Du bist Engländer?«
    »Wie bitte?«
    »Du hast einen Akzent«, sagt sie. »Beim Lesen habe ich nie einen Akzent gehört …« Plötzlich werden ihre Augen ganz groß. »Ach du lieber Himmel! Ich bin verrückt geworden. Das Buch verändert sich nicht nur, es spricht mit mir …«
    »Nein – ich bin es, der spricht …« Mein Herz rast und meine Gedanken überschlagen sich fast. Dieses Mädchen, diese Delilah, hat gerade meine Frage beantwortet. Sie hat mich

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