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Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)

Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)

Titel: Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult , Samantha van Leer
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Vierfüßlerstand und beginnt nach dem Tier zu suchen. »Da ist sie ja«, sagt Oliver und streckt den Arm aus. In seiner Handfläche windet sich eine dicke Spinne.
    »Und jetzt?«, frage ich.
    Oliver blinzelt zu mir herauf. »Na ja, ich denke, du nimmst sie einfach.«
    Vorsichtig greife ich hinunter und versuche die Spinne von der Seite zu nehmen, doch nichts geschieht. Zwischen uns ist eine Barriere, dünner als Seide, aber unglaublich fest. »Es geht nicht.«
    »Ich hatte die Wand vergessen«, sagt er. Gedankenverloren setzt er sich auf den Boden.
    »Die Wand?«, frage ich.

    »Das, was uns vermutlich schützt, wenn der Leser unsanft mit dem Buch umgeht oder eine Seite mitten in der Zeichnung umknickt. Sie ist wie eine Blase. Weich, aber man kommt nicht durch, so viel Kraft man auch aufwendet.« Er blickt auf. »Glaub mir, ich habe es versucht.«
    »Wir brauchen also etwas, um ein Loch hineinzustechen …«
    Oliver greift nach dem Dolch in seinem Gürtel, nimmt Anlauf und macht einen Satz auf mich zu, mit solchem Schwung, dass ich unwillkürlich mein Gesicht mit den Händen schütze, so, als könnte er aus den Seiten herausspringen und direkt vor mir landen. Doch als ich zwischen meinen Fingern hindurchlinse, liegt er auf dem Rücken und starrt in den Himmel.
    »Autsch«, murmelt er.
    »Wissenschaftliche Erkenntnis Nummer eins«, sage ich. »Du kannst die Barriere zwischen uns nicht durchbrechen.«
    Er setzt sich auf und reibt sich die Stirn. »Stimmt«, entgegnet er. »Aber du vielleicht.«
    »Willst du, dass ich mit einem Messer im Buch herumstochere?«
    »Nein«, sagt Oliver. »Du musst das Buch zerreißen.«
    Ich schnappe nach Luft. »Kommt nicht in Frage! Das ist ein Buch aus der Schulbücherei!«
    »Ich wusste ja, dass du es nicht ernst meinst«, flüstert Oliver. »Nun komm schon, Delilah. Bloß ein kleiner Riss, damit ich die Spinne zu dir hinausbefördern kann.«
    Als er mir wieder dieses Lächeln schenkt, das mir das Gefühl gibt, für ihn der einzige Mensch im Universum zu sein (wobei das in diesem Fall wahrscheinlich sogar zutrifft), bin ich verloren. »Na schön«, sage ich seufzend.
    Behutsam nehme ich die Seite zwischen die Finger und mache einen winzigen, klitzekleinen, kaum sichtbaren Riss hinein.
    »Delilah«, sagt Oliver. »Da durch könnte ich nicht mal Urtierchen bugsieren, geschweige denn eine Spinne. Probierst du es bitte noch mal? Und diesmal ein bisschen beherzter.«
    »Na gut.« Ich greife die Oberkante der Seite mit den Fingern und ziehe ordentlich daran. Das Papier reißt.
    »Es musste natürlich oben in der Seite sein, ganz klar …« Oliver verdreht die Augen und blickt müde die steile Felswand hinauf, die über ihm aufragt.
    »Für Seraphima tust du es ja auch«, stelle ich fest.
    »Selten so gelacht.« Die Spinne in der Faust, sieht er empor. »Wie soll ich bloß dieses Ding halten und gleichzeitig klettern?« Oliver verzieht das Gesicht und legt sich die Spinne auf die Zunge.
    »Das ist ja ekelhaft!«, brülle ich.
    »Mmffphm«, sagt Oliver, aber sein Blick spricht Bände. Er beginnt die Felswand hinaufzuklettern, immer schneller, je näher er der Spitze kommt. Dann schiebt er sich langsam nach rechts, dorthin, wo ich die Seite eingerissen habe.
    Die Hand vor dem Mund, spuckt er aus. »Das«, sagt er, »war richtig widerlich .« Über die Schulter blickt er mich an. »Bist du bereit?«
    »Ja«, sage ich. Als ich meinen Finger auf den Riss im Papier lege, komme ich mir vor wie eine Idiotin.
    Oliver streckt die Hand aus. Die Spinne beginnt über seine Knöchel zu kriechen, über seinen Ringfinger, über den kleinen. Als sie die Fingerspitze erreicht hat, suchen ihre Beine nach Halt und finden den Riss im Papier.
    Und plötzlich habe ich einen winzig kleinen schwarzen Punkt auf der Handfläche.
    Er ist fast unsichtbar, und er ist unangenehm warm und feucht. Vor meinen Augen beginnt er zu wachsen, bis ich den gewohnten Anblick von acht Krabbelbeinen vor mir habe.
    »Oliver!«, sage ich staunend. »Ich glaube, es hat geklappt!«
    »Wirklich?« Er ist wieder auf den Strand gesprungen und blickt gespannt zu mir hoch. »Du hast also das Vieh?«
    Ich schaue hinunter auf das kleine Spinnentier. Doch auf den zweiten Blick, bemerke ich, dass etwas nicht stimmt. Was ich für Beine hielt, sind Buchstaben, die ineinander verfließen. Ich glaube ein i ausmachen zu können. Und ein p .
    Nein, es ist eigentlich keine Spinne. Es ist das Wort Spinne, das die Form des Tieres angenommen hat und über

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