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Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)

Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)

Titel: Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult , Samantha van Leer
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Oliver. »Sie hätte mich nicht einmal gehört, wenn ich aus Leibeskräften geschrien hätte.«
    »Woher willst du das wissen? Du hast es ja gar nicht probiert.«
    »Ich probiere es seit Jahren – du bist der erste Mensch, der mich je bemerkt hat.«
    Ich seufze. »Aber wenn du mit Jules gesprochen hättest – wenn sie dich hätte hören können …« Meine Stimme versagt.
    »Dann würdest du dich nicht ganz so verrückt fühlen?«, fragt Oliver sanft. »Kannst du nicht einfach an mich glauben, wie ich an dich glaube?«
    »Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll«, sage ich vollkommen ehrlich. »So etwas ist mir noch nie passiert.«
    Oliver setzt sich auf den Boden. »Und mir ist überhaupt noch nie irgendetwas passiert.«
    Ich sehe ihm an, wie resigniert er ist, weil er auf ewig in einer Handlung gefangen ist, die sich ein anderer ausgedacht hat. Wenn ich meine Geschichte selbst geschrieben hätte, dann hätte mein Vater uns nie verlassen, und meine Mutter müsste nicht schuften, bis sie abends todmüde ohne Abendessen ins Bett fällt. Hätte ich meine Geschichte selbst geschrieben, hätte ich nicht einer Cheerleaderin die Kniescheibe zertrümmert und so die gesamte Schule gegen mich aufgebracht. Hätte ich meine Geschichte selbst geschrieben, dann wäre jemand wie Oliver hier bei mir, jemand, der mich liebt.
    Andererseits – vielleicht kann ich ja doch den Lauf meiner eigenen Geschichte ändern. Oder es zumindest versuchen. »Ich finde, wir müssen es vorher ausprobieren«, sage ich.
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Was ist, wenn ich dich aus dem Buch ausschneide und du aufhörst zu atmen? Wenn der einzige Sauerstoff, den du verwerten kannst, in den Seiten steckt?«
    » Schneiden ? Wer hat etwas von schneiden gesagt …?«
    »Und was ist, wenn du es tatsächlich in diese Welt schaffst, aber so klein bleibst, dass du in meine Tasche passt?« Meine Stimme wird lauter, als ich an all das denke, was möglicherweise schiefgehen kann.
    »Du würdest also versuchen«, sagt Oliver langsam und hoffnungsvoll, »mir hier herauszuhelfen?«
    »Ja. Aber zuerst werden wir einen Probelauf machen. Bis gleich auf Seite 21.« Ich zögere. »Die Seitenzahlen siehst du doch auch, oder?«
    »Wenn ich die Augen zusammenkneife«, meint Oliver. »Sie stehen so weit oben in der Ecke.«
    »Es ist die Stelle, wo du mit Frump durch den Wald gehst … Ja! Wir probieren es zuerst mit dem Hund!«, sage ich.
    Oliver schüttelt den Kopf. »Frump? Das kannst du nicht tun.«
    »Oliver, er ist nur ein Hund. Er wird es vermutlich nie erfahren.«
    »Nur ein Hund!« Wütend springt Oliver auf. »Dieser ›Hund‹ spricht drei Sprachen, ist ein Schachgenie und zufällig mein bester Freund. Oder hast du vergessen, dass auch er einmal ein Mensch war?«
    »Hm, vielleicht habe ich den Teil nur überflogen«, gebe ich zu, obwohl ich um keinen Preis eingestehen würde, dass ich die Seiten, auf denen Oliver nicht vorkommt, oft überspringe. »Wenn wir Frump nicht nehmen können, was schlägst du dann vor? Oder betreiben in deinem Buch sogar die Bakterien nebenbei Raketenwissenschaft?«
    »Ich könnte dir mein Wams geben«, schlägt Oliver vor.
    »Behalt deine Kleider lieber an. Ich glaube, wir sollten besser schauen, was mit einem lebenden Wesen passiert, oder?«
    »Warte kurz.« Er flitzt zum anderen Ende der Seite, verschwindet einen Augenblick im Buchrücken und kommt dann mit einem Lächeln auf den Lippen wieder hervor. »Ich könnte dir einen Fisch von Seite 42 besorgen.«
    »Ich weiß nicht … Sollten wir nicht lieber ein Tier nehmen, das nicht im Wasser zuhause ist? Falls es das Ganze nicht überlebt, können wir das zumindest nicht darauf schieben, dass es keine Lungen hat.«
    »Du hast vollkommen recht«, seufzt Oliver. Er klatscht sich in den Nacken und wedelt dann mit der Hand vor seinem Gesicht herum. »Verdammte Spinne.«
    Ich will ihn gerade fragen, wo sie hergekommen ist, weil ich es faszinierend finde, was in seiner Welt so auftaucht oder verschwindet. Doch dann merke ich, dass es vielleicht jede Menge mikroskopisch kleiner Dinge gibt, die vom Leser übersehen werden – Schachbretter im Sand, Spinnen, sogar Prinzen. »Warte!« Ich beuge mich tiefer über das Buch. »Oliver, hast du die Spinne umgebracht?«
    »Sie hat mich gebissen !«
    »Sie würde sich perfekt als Versuchskaninchen eignen«, erkläre ich.
    Seine Miene hellt sich auf. »Na klar. Und wenn sie überlebt, dann habe ich wirklich was zu feiern.« Er geht in den

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