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Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)

Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)

Titel: Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Hannawald
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Vielleicht lässt man dann nie mehr die Leute so nah an sich heran, um sich vor weiteren Enttäuschungen zu schützen.
    Ich habe Sven als sehr sensiblen Athleten kennengelernt. Er machte sich immer unheimlich viele Gedanken und hatte damals schon einen gewissen Hang zum Perfektionismus. Seine innere Haltung war: ›Ich will, ich will.‹ Aber verkrampft geht nix beim Skispringen.
    Noch etwas charakterisiert ihn vielleicht. Als ich ihn später ab und zu in Hinterzarten besuchte, war ich baff. Ich kannte keine andere Junggesellenwohnung, die so sauber und aufgeräumt war wie die von Sven. Er sagte nur: ›Das habe ich von meiner Mutter.‹ «

    Wie Wolfgang Steiert, Svens Heimtrainer in Hinterzarten, seine Qualitäten beschreibt
    Vier Jahre lang, von 1991 bis 1995, war das Don-Bosco-Heim in Furtwangen meine Herberge.
    Es lief nicht wirklich gut. Dabei begann meine Zeit im Westen sportlich ganz verheißungsvoll. In meiner Altersklasse, bei den Junioren, gehörte ich 1992 zu den besten fünf Skispringern in Deutschland. Bei der Juniorenweltmeisterschaft im finnischen Voukatti wurde ich für den Teamwettbewerb nominiert, zusammen mit Ronny Hornschuh (aus Zella-Mehlis), Rico Meinel (Klingenthal) und Timo Wangler (Breitnau). Wir gewannen die Bronzemedaille.
    In der Saison 1992/1993 rückte ich in den B-Kader auf. Unser neuer Trainer Wolfgang Steiert, gelernter Spengler aus Hinterzarten, hatte selbst sämtliche Kader des DSV durchlaufen und mehrere Top-15-Platzierungen im Weltcup erreicht. Mit seinen erst 29 Jahren war er ein lockerer, ausgeglichener Typ. Ein Kumpeltyp. Er kannte die Gesetze des Leistungssports und vermied es, nach dem Training unnötig auf uns einzureden, weil er wusste, wie junge Athleten ticken. Die machen, wenn sie müde sind, einfach zu. Auf den langen Fahrten zu Wettkämpfen konnte man gut mit ihm rumblödeln. Einmal zum Beispiel, da starteten wir beim Intercontinentalcup in Zakopane. Es war sommerlich heiß. Schwimmen wäre jetzt klasse gewesen. Aber wir hatten heute ja offizielles Training. Allerdings nur auf der kleineren der beiden Schanzen. Dazu hatten wir keine Lust. Das hat Wolfi gemerkt. Andere Trainer hätten uns jetzt zusammengefaltet und uns Beine gemacht, dass wir endlich unsere Skier wachsen, uns warmlaufen, umziehen und dann hoch auf die Schanze sollten. Wir blieben am Bus. Wolfi hat dann nur gesagt: »Kommt, Jungs, wir können auch ein Spiel spielen.« Und dann kam er mit dem konkreten Vorschlag für ein Spiel, es hieß: »Wer sich zuerst bewegt, hat verloren.« Da mussten wir so lachen und haben uns kichernd auf das übliche Vorbereitungsritual eingelassen. Leider sind wir nicht dazu gekommen, das seltsame Spiel zu spielen.
    Ein paar Jahre später sollte Wolfi Steiert eine ganz entscheidende Rolle in meiner Karriere spielen.
    Aber in dieser Phase musste auch er ratlos mit ansehen, wie ich immer hinterhersprang. Obwohl mir, dem hoffnungsvollen Nachwuchsskispringer, von den Trainern immer eine außerordentlich gute Technik bescheinigt wurde.

    Rückkehr zu alten Wurzeln: im Kraftraum des Skiinternats Furtwangen
    Vier Jahre lang sprang ich hinterher
    Die Einsätze in meiner ersten Weltcupsaison (1992/1993) verliefen eher enttäuschend für mich: 50. Platz in Falun (Schweden), bei der Vierschanzentournee 49. Platz in Oberstdorf, 36. Platz in Garmisch-Partenkirchen. Und in Lahti (Finnland) sprangen sogar nur die Plätze 58 und 56 heraus.
    Und in den nächsten Jahren wurde es nicht viel besser: 33. Platz in Planica (Slowenien), 49. Platz in Courchevel (Frankreich), 29. Platz in Oberstdorf, 39. Platz in Murau (Österreich), 49. Platz in Liberec (Tschechien).
    In der Statistik des Internationalen Skiverbands (FIS), die von jedem Athleten jedes einzelne Weltcupergebnis archiviert, findet sich mein erster Ausreißer nach oben am 14. Januar 1995 bei zwei Weltcupspringen in Engelberg (Schweiz): Ich wurde 14. und am nächsten Tag 23. Danach folgen wieder eher trostlose Platzierungen: 32. Platz in Lillehammer (Norwegen), 50. und 46. Platz in Chamonix (Frankreich).
    So ähnlich ging es immer weiter. Irgendwann in dieser Zeit habe ich mal alle meine Medaillen, die ich damals in der DDR gewonnen hatte, in den Mülleimer gepfeffert.
    Die baumelten bislang an meiner Zimmerwand bei den Eltern. Papa hatte extra ein Brett für die Dinger gedrechselt – und das war komplett voll. Teilweise waren die Sportorden aus Pappe. Aber bei den DDR-Kinder- und Jugendspartakiaden wurden immer ziemlich schwere Medaillen

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