Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)
das Auftreten des ersten Springers so: »Ohne Stock, schmalspurig, leicht und behänd überwand der Schusterjunge aus Telemarken die Unebenheiten des Geländes. Elastisch wie eine Feder nahm er den Absprung von der Schanze vor, und ruhig wie ein Vogel schwebte er dahin. Eine kleine Beugung der Knie, und nach einem Augenblick war er gelandet und machte einen eleganten Telemark-Schwung. Wie ein Meteor ging er nieder unter die erstaunte Menge, die wie verhext dastand. Eine neue Ära für den Sport war angebrochen, dessen Großartigkeit und Macht in der weiten Welt ihresgleichen suchte, und man begriff, daß hier etwas Besonderes geschehen war.« 1860 schaffte Sondre Auverson Nordheim aus dem Telemarker Dorf Morgedal eine Weite von immerhin 30,5 Metern.
Hüftknick: der Schweizer Cesare Chiogna (1933)
1912: Der Vorlagestil setzt sich durch
Im Laufe der Jahre erkannte man, dass der Landedruck für den Springer bei einer schrägen Aufsprungbahn wesentlich geringer war. Daher wurde die Aufsprungzone von der Ebene auf den Hang verlegt. Auch der Sprungstil änderte sich dadurch: Der Sta-rak-Stil (sta-rak, norwegisch = aufrecht) entstand. Die Springer nahmen eine kerzengerade Position in der Flugphase ein. Dies sah eleganter aus und führte daher zu höheren Haltungsnoten, die damals wesentlich wichtiger waren als die Weitenpunkte. Nur die Armbewegung wurde vom Optrakke-Stil übernommen, um das Gleichgewicht besser zu halten. 1883 führte Torju Torjussen die Telemark-Landung ein, für die es noch bis heute hohe Wertungsnoten gibt.
Als um das Jahr 1900 immer größere Sprunganlagen gebaut wurden – was sich auf die Weiten, aber auch auf die Anfahrtsgeschwindigkeit und den Luftwiderstand auswirkte –, passte sich der Sprungstil erneut an. 1912 setzte sich der Vorlagestil durch. Die Springer streckten ihren Oberkörper dabei ganz nach vorn. Dadurch wurde der Luftwiderstand so gering gehalten wie möglich, und die Springer konnten an Geschwindigkeit gewinnen.
Der elegante Vorlagestil (ab 1930)
1930er-Jahre: der Kongsberger-Stil
In den 1930er-Jahren war Birger Ruud einer der herausragenden Springer seiner Zeit. Der zweifache Olympiasieger von 1932 und 1936 und dreifache Weltmeister zwischen 1931 und 1937 sprang mit starkem Hüftknick und rudernden Armen. Die Flugtechnik Ruuds ging als Kongsberger-Stil in die Skigeschichte ein. Der Österreicher Sepp Bradl entwickelte schließlich eine eigene Variante des Vorlagestils. Anders als üblich ruderte er nicht mit den Armen, sondern streckte sie nach vorn. Mit dieser Technik erreichte er 1936 in Planica die 100-Meter-Marke.
Perfekte Armstrecktechnik: Helmut Recknagel, Olympiasieger (1960)
1970er-Jahre: der Fisch-Stil
Der frühere Skispringer und Schweizer Flugingenieur Reinhard Straumann und sein Kollege Andreas Dächer erkannten als Erste die Bedeutung der Luft als tragenden Faktor. Ihre Theorie wurde jedoch erst 20 Jahre später praktisch umgesetzt. In den 40er-Jahren setzten einige Springer sie schließlich um. Die Technik variierte dabei im Ausprägungsgrad der Körpervorstreckung und ging teilweise in eine fast gestreckte Flughaltung über. Zudem sollten die Springer nach dem Absprung die Arme ganz ruhig am Körper lassen und sie wie Flossen neben die kaum noch geknickten Hüften legen und zum Steuern des Fluges benutzen. Diese Technik bezeichnete man zunächst als Dänischen-Stil. Später nannte man sie, wegen der Körperhaltung, auch Tropfen- oder Fisch-Stil. Der von Dächer und Straumann entwickelte Flugstil setzte sich erst in den 1950er-Jahren durch. Viele Springer favorisierten jetzt auch die »Armstreck-Technik«, sie legten die Arme in der Luft nicht an den Körper, sondern streckten sie weit vor den Kopf, bei gerade nach vorn geneigter Körperhaltung. Dieser Stil blieb noch bis in die 70er-Jahre hinein eine konkurrenzfähige Alternative zum längst etablierten Fisch-Stil.
Populärer Fisch-Stil (ab 1950)
1980er-Jahre: Jan Boklövs V-Stil
Es war bei einem Training in Falun (Schweden), als der damals 19-jährige Skispringer Jan Boklöv die Beine bei einem Flug zu einem »V« spreizte. »Es ist mir einfach so passiert, und ich bin dann plötzlich 90 statt 70 Meter geflogen«, erzählte der Schwede hinterher. »Aber ich bin auch sehr oft gestürzt, ehe ich den neuen Stil halbwegs perfekt konnte.« Statt 19 Punkten bekam Boklöv nur 14 Zähler in der Haltungsnote. Damals war es ja üblich, die Ski in der Luft parallel zu halten – jede Abweichung wurde
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