Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)
Hosenboden rodeln, und schon ist der ganze Vorsprung weg.
Sind Sie derzeit in der Form Ihres Lebens?
Ja. Ich habe bei jedem Sprung ein Hammergefühl.«
Erlösender Jubel, Teil zwei: die Sekunde nach dem Siegsprung beim Neujahrsspringen 2002 in Garmisch-Partenkirchen
Überlegener Sieg in Innsbruck
Drei Tage später. Nach der Landung im zweiten Durchgang, nach gut 30 Metern Auslauf, schlug ich die Hände vor mein Gesicht, ließ mich dann in den Schnee fallen und blieb da erst mal liegen. Ich hörte Tausende jubeln. Aber die fantastische Kulisse auf dem »Berg der Tiroler« hatte mich zusätzlich nervös gemacht. Und doch war mir im dritten Wettkampf der dritte Sieg gelungen.
Wie in den beiden Wettbewerben zuvor hatte ich auch in Innsbruck die Qualifikation ausgelassen und musste deshalb im ersten Wertungsdurchgang entsprechend dem K.-o.-Modus gegen den Besten der Qualifikation antreten, diesmal gegen den Österreicher Martin Höllwarth. Auf der neuen Bergisel-Schanze, die erst vor ein paar Tagen fertig wurde, wollten die Zuschauer natürlich einen Österreicher siegen sehen. Daraus wurde aber nichts. Mit meinem ersten Wertungssprung stellte ich dann gleich einen neuen Schanzenrekord auf: 134,5 Meter. Ein Supersprung. Zum Genießen. Acht Meter weiter als Höllwarth. Ich spürte, die Kraft ist da, die Konzentration auch. Und wieder Passagen aus der Pressekonferenz, nach meinem dritten Erfolg.
»Sven Hannawald, Sie haben im dritten Springen der 50. Vierschanzentournee Ihren dritten Sieg gefeiert. Wie sind Ihre Gefühle heute?
Es ist einfach bombastisch, phänomenal, und ich kriege das Ganze gar nicht mehr richtig mit. Ich bin unwahrscheinlich stolz, dass ich den ganzen Leuten in meinem Umfeld die Arbeit so zurückgeben kann. Die Stimmung im Publikum war heute unglaublich. Da kann man seine Gefühle gar nicht mehr unter Kontrolle halten.
In der Gesamtwertung führen Sie mit einem Riesenvorsprung. Ist Ihnen der erste deutsche Gesamtsieg seit sechs Jahren noch zu nehmen?
Ich bin noch nicht durch. In Bischofshofen gibt es noch zwei Wettkampfsprünge, und die kann ich verpatzen oder beim Jubeln in den Schnee stürzen. Da ist der schöne Vorsprung schnell dahin. Ich mache einfach weiter mein Zeug.
Ihnen könnte es als erstem Skispringer der Geschichte gelingen, alle vier Springen bei einer Tournee zu gewinnen.
An solchen Spekulationen beteilige ich mich gleich gar nicht. Ich will einen schönen Wettkampf machen, und dann kommt alles von selbst. Natürlich ist es schön, mit drei Siegen im Rücken zum letzten Springen zu fahren.
Wie groß ist der Stress, den Sie bei der Tournee aushalten müssen?
Unglaublich. Die letzte Nacht habe ich beschissen geschlafen, und die nächsten beiden Nächte werden bestimmt noch schlimmer. Lange mache ich das nicht mehr mit. Wenn das mit dem Stress so weitergeht, brauche ich ein paar Haarfärbungen.
Wie haben Sie den heutigen Wettkampf erlebt?
Nach dem Probesprung war ich ziemlich unruhig, weil es bei der Landung in der Wade gezwickt hat. Normalerweise lande ich wie ein Flugzeug. Der erste Sprung hat mir dann jede Menge Druck genommen. Es war ein absoluter Übersprung. Vor dem zweiten Durchgang habe ich alles sacken lassen und dann versucht, ruhig zu bleiben. Es ist mir zwar nicht gelungen, aber als ich unten gelandet bin, war mein Traum trotzdem in Erfüllung gegangen.
War ein Grund für Ihren Sieg auch der Neubau der Schanze?
Man kann den Bauarbeitern nur gratulieren. Die haben hier eine geile, moderne Schanze hingestellt. Es ist traumhaft, hier zu fliegen. Der alte Bock lag mir nicht so. Da war zwar das Publikum toll, aber meine Sprünge nicht so. Das hat sich ja zum Glück geändert.«
Siegerpose, die dritte: Auch beim Erfolg in Innsbruck fällt wieder eine tonnenschwere Last von mir.
Showdown in Bischofshofen
Als achter Springer der Geschichte hatte ich jetzt die ersten drei Tournee-Wettbewerbe gewonnen. Die sieben Athleten, die dieses Kunststück vor mir geschafft hatten – der Norweger Olav Bjørnstad, die Deutschen Helmut Recknagel (1958/59) und Max Bolkart (1959/60), die Norweger Toralf Engan (1962/63) und Bjørn Wirkula (1968/69), der Japaner Yukio Kasaya (1971/72) und zuletzt der Japaner Kazuyoshi Funaki (1997/98) –, keinem war es gelungen, auch noch das vierte Springen in Bischofshofen zu gewinnen.
Und ich? Ich versuchte, das Thema in meinem Kopf gar nicht erst zuzulassen. Bloß nicht verrückt machen lassen.
Ich
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