Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (German Edition)
weiß noch, wie die Fahrt von Innsbruck nach Bischofshofen in unserem Mannschaftsbus verlief: Markus Schick, der Pressesprecher, saß am Steuer, Wolfi Steiert daneben. Ich breitete mich hinten aus. Jeder versuchte, das Beste aus dem Repertoire seiner Witze beizusteuern, wir redeten über Autos, Frauen und alles Mögliche – aber kein Wort über den bevorstehenden Wettkampf am Dreikönigstag. Kein Wort über einen möglichen historischen Moment, den Mythos Vierschanzentournee. Kein Wort über die beiden entscheidenden Sprünge auf dieser großen Schanze.
Hinterher, als der Triumph tatsächlich perfekt war, saß ich wieder in der Pressekonferenz und grinste müde in die große Runde:
»Was haben Sie vor dem letzten Sprung gegen die Aufregung gemacht, Herr Hannawald?
Die Nervosität war extrem katastrophal. Doch wenn man sieht, wie viele Fans unten stehen und einen anfeuern, kommt automatisch wieder die Motivation fürs Springen.
Bundestrainer Reinhard Heß über seinen Star
»Ich lebte immer mit der Angst um Sven«
» Sven war immer ein äußerst eleganter Skispringer, und der Junge war risikobereit. Er stürzte sich bei jedem Trainingssprung ohne Rücksicht auf Verluste vom Schanzentisch. Dieses Verhalten imponierte mir, gleichzeitig aber lebte ich mit der Angst, dass Hannawald, wie schon so oft, seinen Geburtstag am 9. November im Krankenhaus verbringen könnte. Wenn er stürzte, dann geschah das oft spektakulär. Das war das auffälligste Zeichen seiner Risikobereitschaft, und vielleicht stand ich auch deshalb während der Zeit seiner ›Übergangsjahre‹ zu ihm. Verletzungen und psychische Traumata nach Stürzen warfen ihn zurück, nicht Unvermögen.
Sven Hannawald hat auch mich überrascht durch seine Art, wie er sich in die Vierschanzentournee hineinsteigerte, wie er mit der Aufgabe wuchs. Als Sven einen Triumph vom Grand Slam entfernt stand, hegte ich sehr wohl die Hoffnung, dass ihm das sporthistorische Unternehmen gelingen könnte. Es was schier sensationell, mit welcher Dominanz Sven den Tourneestress weggesteckt hat ... In Bischofshofen habe ich den Hut vor seiner Leistung gezogen, öffentlich, im Auslauf, für alle sichtbar.
Heute kann man es kaum glauben, aber es ist wahr: Hannawald stand einige Male kurz davor, seine Sportlerkarriere zu beenden, oder beenden zu müssen, wenn es nach dem Willen anderer gegangen wäre. Er hätte nicht den Grand Slam bei der Tournee gewonnen, keine Skiflug-WM-Titel und keine Olympiasiege gefeiert. Es kam anders, gottlob. Für ihn und für den deutschen Skisprungsport. «
Wie Bundestrainer Reinhard Heß (der 2007 verstarb) Svens vierfachen Triumph bei der Vierschanzentournee 2001/2002 in seiner Autobiografie »Mehr als ein Job« bewertete
Haben Sie irgendwann einmal am Gesamtsieg gezweifelt?
Gezweifelt eigentlich nicht, weil ich um meine gute Form wusste. Die Anspannung ist aber schon riesig. Im Verlauf der Tournee bekommt man schon mit, dass mein Name mit dem angeblichen Wunder der vier Siege verbunden wird. Das bekommt man dann nicht mehr aus dem Kopf heraus, egal, was man macht.
Welche Träume wollen Sie nach der Karriere erfüllen?
Ich träume von einem riesengroßen Haus mit viel Umland. Wo ich das hinzimmere, weiß ich noch nicht. Das hängt ja auch davon ab, ob meine künftige Frau von ihrem Heimatort weg kann. Dann möchte ich eine Familie mit zwei Kindern.
Wie war Ihr Gefühl, als Sie die neuen Schanzenrekorde in Bischofshofen und Innsbruck auf sich zukommen sahen?
Ich habe es genossen. Ich liebe ja große Schanzen und habe einen solchen Flugstil, dass ich auch so extrem weite Sprünge stehen kann. Ich habe mich regelrecht auf die Landungen gefreut.
Haben Sie vor der Tournee von einem Durchmarsch geträumt?
Vor Oberstdorf war noch Adam Małysz Favorit. In Garmisch-Partenkirchen war ich schon extrem fertig, in Innsbruck komplett platt und in Bischofshofen ist mir das Dach weggerissen. Bei der Tournee hat für mich alles optimal gepasst. Die Bedingungen waren bei allen Springen ziemlich gleich und in Innsbruck kam die neue, moderne Schanze dazu, denn die alte habe ich nicht sonderlich geliebt. Aber eine fünfte Station hätte ich nicht durchgehalten.
Vor welchem Gegner hatten Sie den größten Respekt?
Wenn ich ehrlich bin: vor mir. Ich bin selbst mein größter Gegner und mache mich immer selbst verrückt. Irgendwie bin ich in dem ganzen Trubel doch locker geblieben.«
Der letzte Streich ist perfekt: Meine Eltern und meine Schwester
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