Mein irisches Tagebuch
muß zerstört werden«) - steht ihm ins Gesicht geschrieben, sie ist der Klöppel der jüdischen Alarmglocke, die ungeachtet seines unversehrt verstrichenen Lebens in ihm tönt.
Erst draußen, auf der Straße vor dem Haus der Walworth Road 3, spüre ich, daß mich das mehr erschüttert hat als alles, was in diesen Stunden im Irish Jewish Museum zu Dublin auf mich eingestürmt ist.
»Es gibt hier keine Talmud-Hochschule und kein Lehrinstitut für Erwachsene, und es wird sie nicht geben. Unsere Gemeinde wird nicht überleben können«, hatte Asher S. beim Abschied gesagt.
Mir klang es fast wie erleichtert - lieber auf »natürliche Weise« zugrunde gehen als durch Gewalt.
Aber mich wies der Krieg zum Schlaf in Glencree
Abstecher in die Wicklow Mountains, Dublins »Hausberge«.
Auf der N 81 raus aus der Stadt. Hinter Brittas beginnt das hügelige Vorfeld, wird es ländlich - Schafe, Kühe, Weiden. Dann links ab nach Kilbride, auf Sally Gap zu, einen der beiden Pässe, die eine Überquerung der Wicklow-Berge erlauben. Irgendwo dort oben, etwas nördlich der Paßhöhe, entspringt die Liffey, nach deren Quelle ich suche.
Glitzernd fließt sie da unten, wohl 400 Meter tiefer als die Straße, die stramm aufwärts führt, vorn die dunklen Höhenzüge der Mullaghcleevaun Mountains und südlich, weit hinten, alles überragend, eine grandiose Bergwelt - Massiv und Gipfel des Lugnaquilla.
Steinig ist das Strombett, die Liffey darin von hier oben kaum mehr als ein Rinnsal, bis sie, von der Sonne getroffen, aufblitzt wie eine Klinge und die Energie des Gefälles verrät. Aus den von Steinwällen durchzogenen Berghängen kommen rauschend Zuflüsse, schnelles Wasser, das unter urigen Brücken hindurch in das waldgesäumte Tal donnert und sich in gisch rigen Windungen irgendwo verliert. Zum Sally Gap hoch verschwimmen die Grate im Dunst, wird es kahl und kahler, breiten sich mächtige Areale ungestochenen Torfs aus.
Mal ist die Liffey fern, dann wieder nahe, mal breiter, dann zum Überspringen schmal, aber immer von riesigen Felsblöcken durchsetzt und wunderbar kühl, wie ich probiert habe.
Ganz plötzlich wird die Sicht gut, die Straße ist weit zu übersehen, ein Asphaltband durch braune Ödnis, daneben gestochene
Torffelder, der Boden narbig, als wäre ihm die Naturhaut abgezogen worden. Wie in Schmerz gedunkelt, kommt der Untergrund zum Vorschein, große Flächen, aber weit größer das unangetastete Hochmoor, das sich den Berg hinaufzieht.
Es heißt, Irlands Torfressourcen, ein Fünftel seiner Gesamtfläche, reichten als Energiequelle noch für achtzig Jahre, länger als drei Generationen. Und dann?
Auf dem Sally Gap, der Paßhöhe, blauer Himmel mit Wolkenfetzen, Sicht über ein riesiges Areal der Wicklows. Nur von der Liffey sehe ich nichts. Bis ich sie wieder entdecke und wieder verliere, ehe sie schließlich ganz verschwindet, wie eine Drohung, ihr nicht bis an den Ursprung zu folgen. Nirgends ein Hinweisschild, und darüber zunächst Ärger, dann Freude - gut so. Lieber vergebliche Suche als eine an der Quelle von Touristenmüll verstopfte Liffey.
Erleichtert gebe ich auf.
Dann fahre ich auf der R 115 nach Süden - auf der Spur der alten Military Road. Das ist eine von den Briten in den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts erbaute strategische Straße, die von Dublin über den Sally-Paß durch das Glenmacness-Tal nach Laragh und weiter bis Aghavannagh führte. Mit Hilfe dieser in die Wildnis der Wicklows geschlagenen Trasse sollte das Gebiet südlich des angloirischen Verwaltungszentrums Dublin gesäubert werden »von Kriminalität und Rebellion« - was im Sprachgebrauch der Verfasser wohl ein und dasselbe war. Aber ob Dieb oder Freiheitskämpfer, die schwer zugänglichen Hochtäler der Wicklows boten in der Tat jedem, der sich vor der Obrigkeit verstecken wollte, geradezu idealen Unterschlupf. Damals gab es mehr Wald als heute, aber wer sich in diesen öden Weiten verbergen wollte, der brauchte sich nur auf die Erde zu legen, um unsichtbar zu werden.
Bis zum Sally Gap hätten die Truppen auf der Militärstraße von ihrem Ausgangsort Rathfarnham (heute eine Vorstadt von Dublin) schon 25 Kilometer zurücklegen müssen, wobei die rot-berockten britischen Söldner die Strecke wohl auf Schusters Rappen zu bewältigen hatten, während ihre Offiziere hoch zu Roß nebenher ritten. Das jedenfalls entnehme ich einigen Stichen aus jener Zeit.
Aber egal, ob es galt, irische Strauchdiebe oder irische
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