Mein irisches Tagebuch
schlechter als Englands Betdern.«
Die Polarisierung der krass ungleichen irischen Gesellschaft schafft auf der Herrschaftsseite einen Typus, der in seiner spezifischen Prägung einmalig gewesen sein dürfte: die angloirische ascendency - ein Wort, das schwer zu übersetzen ist. Wörtlich genommen, bedeutet es soviel wie Emporkömmlinge, Aufsteiger, eine Kaste von überlegenem Einfluß. Eine andere, begreifbarere Bezeichnung ist gentry, was soviel wie Landadel bedeutet und den sozialen oder, besser, unsozialen Kern genauer trifft.
Während die katholischen Kleinpächter für sie auf den Feldern schuften, fuhrt die protestantische ascendency ein Drohnendasein der Fuchs- und Fasanenjagd, des Lachsfangs und der Pferdezucht, der Soireen und der wachsamen Kontrolle ihrer Privilegien. Von ihrer ganzen Erscheinung her sind sie unverwechselbar in Sprache und Erziehung, in ihrer Kleidung und ihren Umgangsformen. Während die alten Normannengeschlechter sich bei aller sozialen Distanz zum Volk im Laufe der Zeit dann aber doch mehr und mehr assimiliert hatten, wird die ascendancy immer angloirisch bleiben, mit britischem Kern.
Ihre klassische Periode wird das Georgianische Zeitalter, die Ara prunkvoll klassizistischer Herrenhäuser von betörender Ästhetik.
200 Jahre nach Andrea Palladio, dem großen italienischen Architekten des 16. Jahrhunderts, entstehen zwischen 1700 und 1800 in Anlehnung an sein Vorbild, aber ohne Epigonentum, Bauwerke von unerhörter Noblesse. Der berühmte Georgian Style verhinderte bloße Nachahmung und verhalf dem neopalladianischen Stil zu jener kraftvoll künstlerischen Selbständigkeit, deren Bann sich auch heute noch kein Betrachter entziehen kann.
Als klassisches Prunkstück und Vorbild für diese Architektur gilt Castletown House bei Celbridge, County Kildare, in der Nähe von Dublin.
Herrenhaus und cheerfulness
Als ich nach langer Fahrt durch einen Park mit uralten Bäumen am Castletown House ankomme und vor der Freitreppe stehe, starrt die herrliche Fassade des Hauptbaues nur so von den Gerüsten einer allerdings bitter notwendigen Restaurierung. Und doch ist der Klassizismus seiner dreigeschossigen Fensterachsen mit den zierlichen Säulen der Kolonnaden zu beiden Seiten stärker als alle Verunzierungen. Ich stehe staunend davor und denke: Wenn selbst dieses bis unters Dach gezogene Stangen- und Leiterkorsett Castletown House nichts nehmen kann von seiner kühlen Schönheit, dann kann ihm nichts die Würde rauben.
Davor, weit, weit, das sanfte Tal des Liffey, Wald, Wiesen -wenn die Ladies und Gentlemen von hier ausritten, muß es lange gedauert haben, bis die Hufe ihrer Pferde über fremden Boden galoppierten.
Drinnen dann Francinis Stückarbeiten im Treppenhaus, die unprätentiöse Eingangshalle; im Speisesaal der gesprungene Spiegel, um den sich Legenden ranken. Der Rote Salon (Red Drawing-room) mit dem Aubusson-Teppich, die Gemälde des Grünen Salons (Green Drawing-room) und die Pompejanische Galerie.
Die Entstehungsgeschichte von Castletown House bei Celbridge entbehrt übrigens nicht einer gewissen Ironie.
Bauherr des 1722 vollendeten Herrenhauses war William Connolly gewesen, ein im Zug der Landenteignungen zugunsten der Großgrundbesitzer reich gewordener Notar und irischer Parlamentsabgeordneter von großem gesellschaftlichen Ansehen. An der Wiege war dem Sohn eines armen katholischen Kneipenwirts aus Ballyshannon solch steile Karriere allerdings nicht gesungen worden - der Preis für sie war denn auch der Übertritt Connollys zum Protestantismus. Die ascendency war bereit, reichen Konvertiten Ausnahmeregeln einzuräumen. Es ändert jedoch nichts daran, daß ausgerechnet der Bauherr des Prunkbaues, der am Anfang des Georgian Style in Irland stand, ursprünglich der verhaßten römischen Kirche entstammte.
Ein anderes Beispiel angloirischer Herrensitze, mit viel älterer und sehr wechselvoller Geschichte, ist Ashford Casde bei Cong, County Mayo, am Lough Corrib, Irlands zweitgrößtem See.
An der linken Seite der langgestreckten Gebäudefront ist noch der Ursprung zu erkennen - die Türme und Zinnen einer Festung aus dem 12. Jahrhundert, errichtet von der mächtigen anglonormannischen Adelsfamilie der de Burgos (die sich später in Burkes umbenannte). Mit der Aussicht auf den See und seine zahlreichen Inseln, auf die Wälder an den Ufern des Lough Corrib und die majestätischen Berge Connemaras, ist Ashford Castle ein Platz von unbeschreiblicher Schönheit.
Im
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