Mein irisches Tagebuch
liegt ruhig da, im Schilf ein bräunlicher Rand, der den hohen winterlichen Pegelstand markiert und gleichzeitig anzeigt, daß der Spiegel seitdem erheblich gefallen ist. Drüben, fern, das leicht ansteigende Gegenufer, hier vorn Grasboden, weich und prall.
Aber nicht mehr lange, denn dann wird eine Trasse gelegt, sozusagen das amphibische Fundament für das Bootshaus, dessen Umrisse und Volumen Johnny mit großen Gesten und schallender Stimme nun aus dem Wust der Zeichnungen vor unseren Augen erstehen läßt.
In der Luft versucht ein Schwarm fluchender Krähen, ihn zu übertönen.
Ich kehre dem See den Rücken und schaue auf das Haus - in seiner gepflegten ebenerdigen Schlichtheit am Rand des etwas ansteigenden Rasens gelegen, sieht es wie ein freundliches Schmuckstück aus. Den Namen - Mallard Point -, in dunklen Metallettern am rechten Eingangspfosten zu lesen, hat Yvar B. von den Vorbesitzern übernommen, einem älteren Ehepaar, das auf die Isle of Man in der Irischen See übergesiedelt ist, aus steuerlichen Gründen, wie es verriet.
Ein großer Angler vor dem Herrn, war Yvar B. oft an irischen Seen gewesen, ehe es ihn im vorigen Jahr in die Crover Lodge verschlagen hatte, einst ein Herrenhaus der angloirischen gentry, heute ein Nobelhotel mit herrlichem Blick über den Lough Sheelin. Ergriff sofort zu, als er von der Verkaufsabsicht gehört und Mallard Point besichtigt hatte - völlig abgelegen und doch nahe genug an Orten, um sich mit allem Notwendigen zu versehen: Mount Nugent, Oldcastle, Virginia und Cavan, diese Stadt fast schon an der Grenze zum Norden, dem »anderen Irland«.
Nach vierzehntägigem Aufenthalt in Mallard Point rufen die Geschäfte, was heißt, daß Yvar B. und seine Frau Dagmar heute abend noch nach Dublin Airport gebracht und von dort nach Hamburg zurückfliegen müssen. Deshalb wird beschlossen, nachmittags noch einmal auf dem See zu angeln. Und ich soll mitkommen.
Es wäre das erste Mal, denn ich habe in meinem Leben, obwohl es schon recht lange währt, noch nie eine Angelrute in der Hand gehalten. Mir schwant also nichts Gutes, zumal mir Yvars noch vor der Abfahrt erteiltes Anglerlatein ein Buch mit sieben Siegeln bleibt: »Beide Ösen miteinander verbinden, so, hier am Ende des Stahlvorfaches, und dann durchziehen, ganz einfach. Jetzt ist ein System entstanden, das unzerreißbar ist. Dann die Sperre öffnen, das Ganze hier hineinnehmen und die Sperre schließen. Vorsicht, die Dinger sind teuer, Fliegenruten, die Schnur drinnen ist hohl, mit Luftkammern versehen, unsinkbar. Kapiert?«
Von wegen!
Aber tapfer geschwindelt - und los geht es. Mit uns kommt Martin, ein Mann, dem das Kunststück gelungen war, in Mallard Point ohne jede Verzögerung ein funktionierendes Whirlpool einzurichten, Petrijünger von Jugend an und inzwischen Freund des Hauses.
Martin hat ein großes, offenes Gesicht, ist 41 Jahre alt, Vater von sechs Kindern (ein siebtes ist unterwegs) und steckt in grünen Gummistiefeln, schwarzer Hose und einem roten Pulli. Er sitzt im Heck des Bootes und bedient den summenden Außenbordmotor. Yvar hockt in der Mitte, ich habe am Bug Platz genommen.
So geht es hinaus auf den sonnenbeschienenen, aber windbewegten See - das Boot schaukelt, die Wellen kommen quer zur Fahrt. Yvar hat eine Schwimmweste mit, ich auch. Wenn Martin sich etwas dabei denken sollte, behält er es für sich.
Lough Sheelin ist voller Fischarten, doch das Ziel allen Angelns ist the trout, die Forelle, die Königin der irischen Gewässer - aus dem See sind schon Dreißig-, ja Vierzigpfünder geholt worden. Drüben, in der Crover Lodge, deren herrschaftliche Front zum See mit ihren sechs Kaminen auf dem Dach jetzt weiß herüber gleißt, sollen einige solcher Prachtexemplare, wohlkonserviert und mit dem Namen ihrer Bezwinger versehen, ausgestellt sein.
Unerreichbare Vorbilder, du Anfänger! Was also sinnst du erwartungsvoll vor dich hin?
Noch ufernah, werfe ich lustlos die Angel aus, lasse Schnur ab, lege den Bügel um. »Na siehst du, du machst das ja wie ’n Alter!« ruft Ivar. In dem Moment, wie um ihn eines Besseren zu belehren, verhakt sich mein Blinker irgendwo am Grund, die Leine droht zu reißen, aber da setzt Martin schon fachmännisch zurück, und sofort kommt die Rute frei.
Ich lasse wieder Leine, lege den Bügel um, bewege rege den Blinker und will dann und wann am anderen Ende einen einmal stärkeren, dann wieder schwächeren Widerstand verspüren, was sich jedoch als trügerische
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