Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein irisches Tagebuch

Mein irisches Tagebuch

Titel: Mein irisches Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Giordano
Vom Netzwerk:
hinnehmen will. Sie steht auf und rebelliert, beruft sich auf die Menschenrechte, dringt auf Änderungen. Sie will nicht länger Irlands »Neger« sein, verlangt überall gleiche Behandlung, in Bars, Theatern, Hotels, Kinos, und klagt Politiker an, die, statt die Gleichheit für alle Bürgerinnen und Bürger einzufordern, mit Seitenhieben gegen die travellers opportunistisch nach Wählerstimmen schielen.
    Dabei wollen sie keine Einebnung der Gemeinschaft, weder soziologisch noch mental, gemäß den unterschiedlichen Wünschen und Lebensweisen in ihr. Es gibt Familien, die ihr Nomadenleben aufgeben würden, wenn sie ein Standardhaus für sich allein beziehen könnten, andere, die seßhaft werden würden, wenn die Sippe in einer Gruppenbehausung beisammen bleiben könnte, und dritte, die auf traditionelle Weise weiterleben wollen.
    Die Dialektik der Diskriminierung ist überall die gleiche, auch in Irland: Erst trägt sie dazu bei, einen bestimmten Zustand zu schaffen, dann greift sie diejenigen an, die sich in ihm befinden. Thomas McCann bringt das auf den Punkt, wenn er sagt: »Der Zwang für die travellers , unter extremen Bedingungen und an illegalen Plätzen zu leben, macht sie zum Zentrum der Ablehnung von Seßhaften, die sie genau an den Plätzen und nirgendwo anders haben wollen. Irland wünscht die travellers nicht und ist dabei, ihre Kultur zu zerstören - weil es sie nicht kennt.«
    Wie kompliziert die Auseinandersetzung um die travellers inzwischen geworden ist, zeigt blitzlichthaft der Artikel einer irischen Journalistin, die weder in den Verdacht geraten kann, aus der konservativen Ecke zu kommen, noch gar, Rassistin zu sein.
    Das traveller- Leben, schrieb sie jüngst im »Irish Independent«, sei nach jedermann zugänglicher Wahrnehmung schäbig, und es solle weder ermutigt noch bewundert werden. Das täten aber viele, an der Spitze Sozialarbeiter und Geistliche, die für diese »Kultur« werben und allen, die anders dächten, Schuldgefühle suggerierten. Es sei nicht schlecht, so zu leben, schlecht sei nur, wenn jemand meine, daß ihm der Titel » traveller « mehr Rechte gebe als anderen, zum Beispiel illegal zu campen oder die Straßen mit Müll zu verunreinigen.
    Das Echo sowohl auf die beherzigenswerten wie auf die angreifbaren Auslassungen des Artikels war gewaltig, aber die einen wie die anderen verwahrten sich gegen einen gleichzeitig aufgekommenen Terminus, von dem niemand mehr sagen könnte, wer ihn im Zusammenhang mit den travellers zum erstenmal ausgesprochen hatte: »inferior people« - also »minderwertiges Volk«.
    Zur Ehre der irischen Öffentlichkeit kann gesagt werden, daß der unverhüllte Rassismus des Wortes sie geradezu aufgeschreckt und deutlich die Stimmen gedämpft und defensiver gestimmt hat, die in der öffentlichen Diskussion mit den landläufigen Argumenten hausieren gegangen waren, travellers seien Leute, die nichts zur Gesellschaft beitrügen und nur den Steuerzahlern auf der Tasche lägen.
    »Inferior people« - der Ausdruck hatte eine Schockwirkung, mit ihm war etwas Neues, Unheimliches aufgetaucht, fremd bisher und ungewohnt, und entsprechend waren die Reaktionen. Sie haben Bestrebungen ermutigt, ein Gesetz gegen Diskriminierung zu fordern, wie das »Irish Traveller Movement« es seit langem tut, und das ohne Zweifel große Zustimmung erfahren würde. Denn immer hat es auch Stimmen gegeben, die sich vehement für die travellers und das Recht auf die Freiheit ihrer Lebensweise ausgesprochen haben.
    Entscheidungen sind nötig. Die Zahl der travellers wächst, während die Maßnahmen, die zu ihrer Seßhaftigkeit führen sollen, mit bürokratischer Langsamkeit vor sich gehen. Dabei wäre Eile geboten. Der Kreis der Seßhaften erweitert sich nicht, wohingegen die Zahl der Wandernden jährlich um etwa vier Prozent wächst. Sie leben auf der Straße, und oft genug auf illegalen Plätzen. Um allein die legalen, unter behördlicher Aufsicht stehenden Aufenthaltsplätze ( serviced caravan sites) mit der nötigen Infrastruktur auszustatten, wie Wasser, Telefon und Feuer-meldestätten, müßten bis zum Ende des Jahrhunderts neunzig Millionen Pfund aufgebracht werden - ein einziger Wohnwagenplatz kostet 50 000 Pfund.
    Aber auch Irland gibt mehr aus, als es an Steuern und sonstigen Einkünften einnimmt. Die Hoffnung, daß das traveller- Problem in einer geduldigen und sorgsamen Weise gelöst werden wird, ist unter Eingeweihten denn auch eher gedämpft.
    Eine der vielen Leserstimmen

Weitere Kostenlose Bücher