Mein irisches Tagebuch
Protestierer unter strikter Einhaltung ihrer Anonymität zunächst einhellig: daß die Behörde sie nicht gefragt habe, wie sie zum Einzug der Familie in den Bungalow stünden - das habe sie geärgert!
Als die Fernsehleute weiter nachbohrten, ob sie denn eine andere als die nun demonstrierte Haltung eingenommen hätten, wenn um ihre Ansicht nachgesucht worden wäre, erklärten die Protestierer ebenso einhellig: Nein, niemals hätten sie Joe J. und seiner Familie erlaubt, in den Bungalow einzuziehen.
Der wahre Grund der Ablehnung bestand also nicht darin, daß sie übergangen worden waren, sondern lag viel tiefer. Wobei die Zurückweisung von travellers um so offener auftrat, je ungebildeter die Befragten waren. Auch das scheint ein einigendes Merkmal kollektiver Abweisung von fremden Gruppen zu sein.
Von einem andern Ort, Newbridge im County Kildare, ist gerade bekannt geworden, daß der Plan, dort ein Haus für wohnungslose travellers zu errichten, gar nicht erst aus der theoretischen Phase herauskam, sondern sogleich nach seiner Bekanntgabe von einer wahren Wutreaktion der einheimischen Bevölkerung im Keim erstickt wurde.
Das Problem, so lange publizistisch vernachlässigt, ja unterdrückt, ist dabei, in der medientransparenten irischen Gesellschaft seine Zähne zu zeigen.
Dabei hat es durchaus seine zwei Seiten.
Die Polizeistatistiken ergeben unmißverständlich, daß die Irish traveller’s community (so wird sie offiziell geführt) überdurchschnitdich beteiligt ist an Rowdytum, gewalttätigen Auseinandersetzungen innerhalb der Gruppe, Alkoholismus, Eigentumsbeschädigung und »illegalem Parken«, wie ausdrücklich vermerkt wird. Und dieselben seriösen Stimmen, die warnen, damit pauschale Diskriminierungen und menschliche Abwertungen zu rechtfertigen, werben gleichzeitig darum, nun nicht andererseits alle Einwände von Iren gegen die travellers ungehört zu verdammen, sondern zu erkennen, daß es sich um eine schwierige Aufgabe handelt, die nur in beiderseitiger Toleranz und Übereinkunft gelöst werden kann.
Wobei das Ziel ist, die travellers seßhaft zu machen, ohne den nomadisierungswilligen Teil dazu zwingen zu wollen. Man hofft auf die Überzeugungskraft des Gegenbeispiels.
Was immer der Regierung in Dublin vorgeworfen werden kann, eines jedenfalls nicht: daß sie sich um das Problem keine Gedanken gemacht hätte. Dafür steht ein 300 Seiten starker, in dieser Art nie zuvor in Auftrag gegebener Bericht, der offen zugibt, daß der Status quo der travellers inakzeptabel und einer zivilisierten Nation unwürdig ist. Um ihn zu beheben, sieht ein Plan bis zum Jahre 2000 neue Wohnungen für Tausende von Menschen vor, Verbesserungen im Erziehungs- und Gesundheitswesen und für den Teil der travellers , der nicht seßhaft werden will, vermehrte basic facilities. Das bedeutet Versorgung der öffentlichen Aufenthaltsplätze, serviced caravan sites, mit Elektrizität, Wasser, Hygiene- und Sanitäranlagen sowie Feuerschutz -alles Einrichtungen, die heute noch an allen Ecken und Enden fehlen.
Es ist ein Mammutprogramm, dessen Verwirklichung auf zwei große Hindernisse stößt: die Finanzierbarkeit (sie beliefe sich auf über eine Viertelmilliarde Pfund) und den horrenden Widerstand in der Bevölkerung gegen eine Sozialpolitik solcher Dimension für solche Gruppe.
Dennoch bestehen die Behörden darauf, das Programm zu verwirklichen.
Dabei behilflich können Veränderungen in der traveller- Gemeinde selbst sein. Hat sich ihr politisch bewußtester und sozial agilster Teil im »Irish Traveller Movement« doch eine Organisation geschaffen, der zunehmend publizistische Aufmerksamkeit gewidmet wird und die in den letzten Jahren erheblich an öffentlichem Gewicht gewonnen hat.
Dies dank Aktivisten wie Trish Hegarty und Thomas McCann, die immer wieder zwei Haupthindernisse der Integrierung scharfsinnig analysieren und eindrucksvoll bekämpfen: die Verinnerlichung des Geächtetenstatus in der traveller- Gemeinde selbst und ihre verbreitete Diskriminierung von außen. Trish Hegarty zum Grundproblem: »Irland hat sich angewöhnt, den
Mißbrauch von Menschenrechten überall in der Welt anzuprangern -gut so! Nur vergißt es dabei, wie diese Rechte im eigenen Land gehandhabt werden.«
In Hegarty und McCann verkörpert sich eine neue Generation der travelling community , die selbstbewußter auftritt als ihre Vorväter und -mütter, sich schulisch oder autodidaktisch gebildet hat und den Ist-Zustand einfach nicht
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