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Mein irisches Tagebuch

Mein irisches Tagebuch

Titel: Mein irisches Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Giordano
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hatte und von dem niemand weiß, woher er kam, weshalb er denn auch »Unser lieber roter Bruder aus der Luft« genannt wurde. Weit interessanter aber als die Herkunft des toten Indianers scheint für Polizist und Autofahrer zu sein, daß der Wind respektlos den schweren Habit der Nonne gehoben und darunter eine braune Unterhose mit rosa Stopfwolle zu erkennen gegeben hatte. Eben das hatte nicht nur die wichtige Frage aufgeworfen, ob die Polizei nun die Hosen aller Nonnen der Umgebung besichtigen müsse, »was begreiflicherweise einen Mordskrach gegeben hätte«, sondern die viel wichtigere, ob solche gestopften Hosen auch im Himmel getragen würden.
    Dann endlich, nach dem ernsten Hinweis des Landsmannes im Auto, sich mit den vielen ungeklärten Fragen dieses Falls doch besser an den Erzbischof zu wenden, gibt der Polizist seiner Hemmung einen Stoß und sagt: »Übrigens, kann ich Ihre Papiere mal sehen?«
    Darauf der Angesprochene: »Oh, ich habe sie vergessen.«
    Und nun wieder, ohne Wimperzucken, der Polizist: »Oh, Ihr Gesicht wird ja wohl Ihres sein.«
    Eine unbezweifelbare Tatsache, welche aber leider keinen Schluß auf die Besitzverhältnisse des Autos zuläßt. Das aber wird ewig unbeantwortet bleiben, da nur noch das Schlußlicht zu sehen ist und es wahrlich den Gipfel unlandsmännischen Mißtrauens bedeutet hätte, wenn ein Ire einen anderen solcher Bagatelle wegen zurückrufen würde.
     
    »Der Regen ist hier absolut, großartig und erschreckend. Diesen Regen schlechtes Wetter zu nennen, ist so unangemessen, wie es unangemessen ist, den brennenden Sonnenschein schönes Wetter zu nennen.«
    So steht es in der Miniatur »Betrachtung über den irischen Regen«.
    Gut deshalb bei solch feuchter Beständigkeit, im Haus stets Kerzen zu haben und ein wenig Whisky, auch Kartenspiele, Zigaretten und Stricknadeln, nicht zu vergessen die Bibel, um sich bestätigen zu lassen, daß darin erfreulicherweise eine zweite Sintflut nicht angedroht wird.
    Aber dann rinnt der Regen doch unter der Tür hindurch, sammeln sich Wasserzungen zu Pfützen, beginnt im Parterre Spielzeug zu schwimmen und die Kinder sich mehr erstaunt als erschrocken vor den Kamin zu hocken. Endlich wird noch ein Gast hereingeschwemmt, ein durchnäßter Zeitgenosse mit durchgeweichtem Pappkoffer, dem die Böllsche Adresse irrtümlich als Hotel angegeben worden war. Natürlich kommt Dermot, so heißt der unverhoffte Besucher, hier unter, und das besser als in einem Fünf-Sterne-Schuppen.
    Im Verlauf des Abends entpuppt Dermot sich nicht nur als guter Bibelkenner, Kartenspieler, Erzähler und Whiskytrinker, sondern auch als Freiwilliger, der im Zweiten Weltkrieg in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten war und Sinti- und Romakinder, die bei der Evakuierung des KZ Stuthof umkamen, in hartgefrorener Erde zu bestatten hatte.
    In dieser Nacht, unter dem Dach von gleichgesinnten Deutschen, bleibt der irische Gast trocken.
    Morgens dann steht ein großer Regenbogen über der See, derart nah, »daß wir ihn in der Substanz zu sehen glaubten; so dünn, wie Seifenblasen sind, war die Haut des Regenbogens.«
     
    Ich bin lange mit mir zu Rate gegangen, wie ich in diesem Buch meine innere Verbundenheit mit Heinrich Böll bekunden könnte, hinaus über das, was vorn gesagt ist und bereits so zu deuten wäre - mit einer Widmung, einem Prolog, einem eigenen Kapitel. Schließlich habe ich solche Pläne verworfen, nicht nur, weil jede Ausweitung über die irische Thematik meines Buches hinaus unvereinbar wäre mit seinem strengen Gestaltungskonzept, sondern auch, weil biographisch Eingestreutes ohnehin als Pars pro toto gedacht ist, im einzelnen also immer auch die ganze Persönlichkeit gemeint ist.
    Dennoch habe ich den Gedanken unambitiöser, unpathetischer, also Böll gemäßer Extrahonneurs nicht aufgegeben. Und hier ist sie denn, mit einer Liebeserklärung an Irlands Wetter, meinem Tribut an seine großartige Unbeständigkeit und seinen sicheren Wortbruch, eine Huldigung, die ich, ganz sicher, daß Heinrich Böll sie wortwörtlich unterschreiben würde, einer nicht ungewollten Feierlichkeit wegen in Anführungsstriche setze:
    »Ich kann nicht traurig sein über den irischen Regen, die feuchte Kühle von oben ist meine Freundin, ich habe ein Verhältnis mit ihr. Irlands Regen ist eine Verheißung, daß die Insel so grün, so bunt bleiben wird, wie sie war und ist - ich kann ihm nicht gram sein. Wie ein Schwamm ist die irische Erde, wie ein geöffneter Mund, von dem

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