Mein ist dein Tod
schon als Kind, damals Ausdauersport, und hatte vor 12 Jahren zum Bodybuilding gefunden. Inzwischen war er davon abhängig, so wie Jogger von weiten Strecken und Rennradfahrer von Steigungen. Niemals würde er Steroide nehmen oder andere Drogen, die Ergebnisse hervorbrachten, wie sie bizarrer nicht sein konnten und einem nur gefielen, wenn man Gorillas ohne Fell mochte. Einem Eiweißdrink hingegen war er nie abgeneigt.
Den trank er an der Bar des Hochglanz-Fitnesscenters.
Obwohl er sich ausgepowert hatte, bekam er den Alexandermord nicht aus dem Kopf. Diese Tat hatte sich regelrecht in seine Synapsen gefressen und machte ihn schier verrückt. Nicht etwa, weil er ein Moralist war, sondern auf fachlicher Ebene. Die Tat war dokumentiert. Es gab Unmengen Bilder. Genau genommen war es der feuchte Traum eines Kriminalbeamten. Dennoch hatte das LKA keine Spur. Nichts, woran man sich festmachen konnte. Sie hatten sogar die Gangart des Mörders analysiert, federnde Bewegungen, die auf einen trainierten Mann Mitte Dreißig schließen ließen. Sie hatten gezoomt, bis ihnen die Augen fast aus dem Kopf fielen. Nach einer Tätowierung Ausschau gehalten, einem Leberfleck, schiefen Zähnen, irgendeinem Indiz, das den Mann identifizierte. Nichts. Nada. Niente!
Bei der Frau verhielt es sich genauso.
Das LKA wusste, mit welcher Camcordermarke sie gefilmt hatte, ein altes Modell, aber es war weder eine Typennummer zu entdecken, noch etwas, woran man sich orientieren konnte. Sie war Lady Namenlos, er war Mister Null. Der einzige Anhaltspunkt waren seine Flüche. Er hatte den Mut besessen, die Gäste des Cafés zu beschimpfen.
Spezialisten glichen die Stimmmuster mit allen ab, die es in der Datenbank gab. Mister Null war nicht registriert.
Das LKA hatte die Bevölkerung um Hilfe gebeten. Wer kennt diesen Mann oder diese Frau? Wem kommt die Stimme des Mannes bekannt vor, denn er hatte sie definitiv nicht verstellt. Das war möglicherweise der eine Fehler, der ihm unterlaufen war und ihn vielleicht irgendwann zu Fall brachte. Aber nur vielleicht, denn die Öffentlichkeit verhielt sich still.
Kaum jemand war gewillt, den Mörder ans Messer zu liefern.
Zu groß war die Zustimmung, die Mister Null in der Bevölkerung fand. Niemand interessierte sich für das Opfer, alle für den Täter. Zwar hieß kaum jemand die Tat gut, aber man musste kein Hellseher sein, um die Twitterkommentare und Leserbriefe richtig zu deuten. Hier hatte ein mutiger Mann der Gesellschaft ihre Feigheit vorgeführt. Große Dinge erforderten große Opfer. Umdenken geschah nicht, wenn in China ein Sack Reis platzte, sondern durch eine Explosion, die ein ganzes Land erschütterte. So gesehen war Mister Null ein Held. Und wie er sich den bangen Zuschauern gestellt hatte – Mann, das war cool gewesen. Mister Nulls kritisches Anliegen war so groß, dass er dafür riskierte, den Rest seines Lebens ins Gefängnis zu gehen. Wer würde sich so etwas zutrauen? Er war ein mörderischer Stromberg, der allen einen Spiegel vorgehalten hatte.
Donald knurrte leise und leerte das Glas.
Und dann gab es noch Elvira.
Er liebte die Frau. Er liebte sie sehr.
Doch er war kein Mann, der bettelte. Er war ein Mann, der sich nahm, was er wollte, und wenn er es nicht haben konnte, akzeptierte, dass es zu schwer für ihn war.
Liebe ließ sich nicht erzwingen.
Diese wunderbare, schreckliche Frau, die kalt wie Eis schien und weich wie Samt sein konnte, ließ ihn abblitzen, vergnügte sich mit ihm und das war es. So lief das seit Jahren. Zwischendurch hatte sie zweifellos andere Partner gehabt, so wie er andere Partnerinnen, doch stets waren sie sich wieder begegnet und hatten es genossen.
Das war grotesk!
Doch er hätte sich lieber einen Muskelfaserriss zugezogen, als ihr das zu zeigen oder gar zu sagen. Er liebte sie und würde sie gerne heiraten. Davon ahnte sie nichts, denn er fürchtete, dass sie ihn im selben Moment fallen lassen würde wie einen heißen Topfdeckel.
Er knurrte erneut, aber wieder leise, sodass niemand es hörte.
Je älter einer wurde, desto komplizierter wurden Beziehungen. Menschen über dreißig schleppten so viele Enttäuschungen, unverarbeitete Erlebnisse und Erinnerungen mit sich herum, dass eine Beziehungsunfähigkeit Pflicht zu sein schien. Wie schön war es gewesen, als er jung gewesen war. Nein, das stimmte nicht! Es war genauso verzwickt gewesen. Da waren es nicht die Enttäuschungen gewesen, sondern die beste Freundin der Liebsten, die eifersüchtig
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