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Mein ist der Tod

Mein ist der Tod

Titel: Mein ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
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Schicksal.
    Aminata betrachtete die Erkennungsmarke in ihrer offenen Hand und nickte.
    Ich verspreche es.
    Beim heiligen Krokodil?
    Ja, Vater. Beim heiligen Krokodil.
    Sie lächelte und legte die Marke zurück in die Blechdose. Joseph, dessen Gesicht sie im Licht der zischenden Lampe die Anstrengung und den Ernst ansah, ließ sie nicht aus den Augen.
    Und du schwörst es auch bei Jesus Christus – sicherheitshalber?
    Ungeduldig sagte sie: Sicherheitshalber, ja, ich schwöre es.
    Plötzlich ließ er seinen Kopf nach vorn sinken und schluchzte. Er versuchte, sich zu beherrschen, doch sein Körper wurde von Zuckungen geschüttelt. Joseph Mboge kauerte sich auf den Steinen zusammen und weinte in sich hinein, die unterdrückten Schreie längst vergangener Jahre stiegen in ihm auf, die Sehnsucht nach einem Vater, den sie dreckiger Affe genannten hatten und von dem er sich kein Bild machen konnte; nach der Mutter, von der er das Foto besaß, das er als Kind an seine Lippen gepresst hatte, und die ihm manchmal so sehr fehlte, dass er geglaubt hatte, vor innerem Schmerz sterben zu müssen.
    Aminata saß vor ihm und wusste nicht, was sie tun sollte. Endlich beugte sie sich über ihren Vater, schlang die Arme um seine Schultern und hielt ihn fest. Langsam beruhigte er sich. Das Zucken hörte auf. Sie dachte an die Jahre, in denen sie wegen ihrer Hautfarbe verspottet und gequält oder bewundert und beneidet worden war. Sie erinnerte sich daran, wie die Nachbarskinder sie vom Spielen ausgeschlossen hatten, und dass sie in der Primary und der Secondary School nie eine Antwort auf die Frage wusste, warum sie nicht aussah wie alle anderen. Das mit dem weißen Krokodil hatte sie schon seit ihrem fünften Lebensjahr nicht mehr gesagt. Einmal ausgelacht zu werden reichte. Doch an die Stelle des Märchens trat nur der unbegreifliche Zufall. Abweichung von der Norm. Abartigkeit.
    Eine Schulfreundin in Banjul benutzte Bleichcreme, um sich heller zu machen, und bekam einen Ausschlag.
    Und die Käsegesichter im Norden, sagte ihre Mutter, legen sich in die Sonne, um braun zu werden, und dann sind sie krank. Alle verrückt.
    Irgendwann hatte sie ihre Haut akzeptiert, weil die anderen sich an sie gewöhnt hatten. Sie hatte die Erfahrung gemacht, besser sein zu müssen als die anderen, denen es leichter fiel, Anerkennung zu bekommen. Weil sie weiß war, war sie fremd, und weil sie fremd war, flackerte ganz im Hintergrund ihres Bewusstseins die Angst vor Gewalt. Eine Lehrerin riet ihr, Kampfsport zu machen. Tatsächlich verhalf ihr das Training zu mehr Selbstsicherheit.

    Joseph bewegte sich, sie ließ ihn los, er richtete sich auf und griff wieder zu der kleinen Blechschachtel. Er nahm das Foto von Freya Paintner heraus und hielt es ins Gaslicht.
    Das ist sie. Das ist meine Mutter. Deine Großmutter. Sie hat meinen Vater geliebt. Freya heißt sie.
    Ein komischer Name.
    Ja. Aber eine schöne Frau. Erkennst du sie?
    Wieso.
    Deine Mutter und ich, wir sehen deine Ähnlichkeit mit ihr.
    Aminata betrachtete widerwillig das Gesicht, das Freya hieß. Diese Frau war schuld.
    Und das hier, sagte ihr Vater, das ist eine Nadel zum Anstecken, aber wieso die Katze in Stiefeln läuft und einen Hut und einen Stock in den Pfoten hat, das wusste nicht mal dein Großvater Jambaar, und der war Pfarrer und wusste fast alles!
    Sie nahm die Nadel und hielt sie neben die Lampe. Die Katze gefiel ihr, weil sie ein lachendes Gesicht hatte. Joseph übergab ihr die Blechdose, sie legte die drei Zeichen seiner Erinnerung zusammen und schloss den Deckel.
    Gib gut darauf acht, sagte er. Kann sein, dass es dich beschützt, man weiß nie.

    Sie warteten schweigend darauf, dass der Mond höher stieg, seine Farbe verlor, heller und kleiner wurde, bis er mit seinem weißen Licht Wasser und Land aufhellte. Joseph Mboge drehte die Gaslampe aus. Der Glühstrumpf wurde rot und verlosch. In Wolken stieg Wasserstaub aus den Katarakten, und jetzt sahen sie, worauf sie gewartet hatten:
    Über dem Fluss wuchs aus dem Sprühnebel des Gambia der Nachtregenbogen vor dem schwarzen Himmel und wölbte sich zum anderen Ufer. Das breite Farbenband aus Licht hob sich in die Dunkelheit und senkte sich jenseits des Flusses, ohne sein Leuchten zu verlieren, auf das Land.
    Dann zeigte es sich, sie konnten es beide erkennen: das weiße Krokodil. Zwischen den Schatten auf dem Mond bog es sich, als ob es dort in einer Mulde läge. Man sah am leicht geöffneten Maul, dass es lächelte.
    Ich hab es dir ja

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