Mein ist der Tod
noch Freude an meinem Chamäleon?
Sie sah ihn erstaunt an. Freude? Es ist ja ein erschreckendes Bild, ein gutes, aber doch kein Bild, um Freude zu haben, oder?
Er nickte. Aber Sie wollten mir von der Suche erzählen.
Ja. Und nachher noch etwas zum Chamäleon.
Martina Matt trat zwei Schritte zurück, taxierte Korell, sagte nichts, ging wieder zum Besuchertisch und setzte sich.
Er blieb an den Grafikschrank gelehnt stehen.
Aber bevor sie den Teddy in den Müll warf, tat sie noch etwas anderes.
Die Galeristin drehte sich zu ihm um und legte den Ellbogen auf die Stuhllehne.
Im Traum?
Ja, im Traum, alles im Traum. Sie streckte mir den Kopf hin und sagt: Da. Tu das unters Kopfkissen. Damit du immer weißt, was du getan hast. Aber am nächsten Morgen saß sie an meinem Bett. Ich wachte davon auf, dass ihre Hand unter die Decke kroch und meinen Penis anfasste.
Martina Matt wandte sich von ihm ab. Du musst das nicht erzählen.
Korell kam langsam zu ihrem Stuhl.
Der Poet kann mit seiner Verlegerin über alles sprechen, nicht wahr? Ich tat, als ob ich weiterschlief. Sie wusste das natürlich. Zwischen meinen Augenlidern konnte ich sehen, dass sie im offenen Morgenmantel an meiner Bettkante saß und die rechten Hand zwischen ihren Beinen hatte. Was hätte ich tun sollen? Ich war zwölf. Hätte ich sagen sollen: Mama, was machst du? Ich wollte ja, dass sie mir einen runterholt, ich zitterte vor Erregung. Meinst du, ich hätte sie anschreien und von der Bettkante schieben sollen?
Warum nicht, sagte Martina, stand auf und ging auf die andere Seite des Tischs. Ich weiß, was kommt, du solltest lieber Gedichte schreiben statt pubertäres Zeug zu erzählen.
Ich bin noch nicht fertig mit dem Bericht. Ich glaube, wir kamen gleichzeitig.
Solche Träume kennt jeder, man muss sie nicht vor anderen Menschen ausbreiten.
Das war kein Traum, sagte Korell. Sie hat es wirklich getan. Sie kam wieder und wieder. Immer ohne ein Wort. Wir haben auch später nie darüber gesprochen. Aber von da an quälte sie mich nicht mehr. Ich hatte gewissermaßen doppelt gewonnen.
Er beobachtete sie. Ihre Hände hielten sich gegenseitig fest.
Wenn sie es wirklich getan hat, war es Kindesmissbrauch.
Aber ich wollte es, sagte Korell, und ich schämte mich dafür.
Ich möchte, dass du gehst.
Warum?
Sie zündete sich eine Zigarette an und hielt den ersten Zug lange an. Dass ihre Finger zitterten, freute ihn. Die Manuskriptmappe mit den Gedichten vom Tisch greifend, verbeugte er sich theatralisch, ging zwei Schritte rückwärts und sagte: Ich wollte dich nicht beunruhigen. Tut mir leid. Mit den Gedichten wird es wohl auch nichts.
Lass sie hier. Ich habe dir die Lesung zugesagt. Wenn mir die Sachen gefallen.
Wenn du sie deinem Publikum zumuten kannst.
Er warf die Mappe auf den Tisch und verließ die Galerie. Martina Matt sah ihm durch die großen Galeriefenster nach und entdeckte jetzt erst den Jogger, der die Kapuze seines schwarzen Anoraks über den Kopf gestreift hatte und von draußen hereinstarrte. Sie wandte sich ab, atmete tief durch und drehte sich wieder um.
Der Mann war fort.
Dann kam eines Tags dieser Brief vom Districtgovernor in Georgetown. Er teilte mir mit, dass man den Waisenjungen, der aus unerklärlichen Gründen lieber deutsch sprach als englisch, in ein Internat der Britischen Krone nach Bathurst gegeben habe, wo er eine anständige Ausbildung erhalten würde. Ich habe zu lange gebraucht, um von der Direktion dieses Erziehungsinstituts eine Auskunft zu bekommen, ich konnte mich ja nicht als seine Mutter ausweisen. Plötzlich war Gambia unabhängig, Bathurst wurde in Banjul umbenannt, die Briten zogen ab, und was zu sehr nach ihnen roch, wurde beseitigt. Jedenfalls erfuhr ich ein Jahr später, das Internat wäre geschlossen worden, Schülerakten gebe es nicht. Niemand wusste, wo die Kinder hingekommen waren. Ich wollte hinfahren. Dann kam diese verpfuschte Operation. Ich ging mit Rückenschmerzen in die Klinik und kam querschnittsgelähmt wieder raus. Prozesse über Prozesse. Abfindung. Irgendwann hatte ich keine Kraft mehr, nach Joseph zu suchen.
Freya Paintner steuerte den Rollstuhl vom Tisch weg zum Rand der Terrasse und sah in den Garten hinaus. Swoboda blieb stumm sitzen und wartete.
Jetzt sind die Schatten schon so lang, dass sie bis zum Schwimmbad reichen, sagte sie leise. Es wird bestimmt gleich kühl. Aber was die Polizei wissen muss, ist Folgendes: Der Vater meines Kindes heißt Yoro Mboge.
Swoboda zog ein
Weitere Kostenlose Bücher