Mein ist der Tod
Skizzenheft aus der Innentasche seines Cordjacketts und notierte.
Wie schreibt man das?
Yoro mit Ypsilon. M, b und oge.
Ich bin zwar nicht mehr im Dienst, sagte Swoboda, aber ich möchte Sie um Ihr Einverständnis bitten, weil ich alles, was Sie mir mitteilen, an meinen Kollegen Törring weitergeben will.
Das ist mir klar.
Er beschrieb eine Notizbuchseite, riss sie heraus und reichte Freya den Zettel.
Hier ist meine Mobilnummer, falls Sie es sich noch anders überlegen. Sie können mich zu jeder Zeit anrufen.
Keine Sorge, ich weiß, was ich tue. Ich habe Yoros Sohn Joseph am 12. Oktober 1945 in Österreich zur Welt gebracht. Yoro hatte eine Erkennungsmarke vom Stammlager VIII, in dem Gefangenenlager war er eine Zeit lang interniert. Er wusste, dass er es kaum überleben würde, so wie die meisten Schwarzen umgebracht worden sind, ob sie nun französische Gefangene waren oder deutsche Afrikaner im KZ. Er hat auch was von Dachau erzählt, aber das habe ich nicht verstanden. Nach seiner Flucht hat der Fischer Alois Dietz ihn versteckt. Aber dann wurde Yoro im Fischerhaus von drei Männern meiner Familie ermordet, weil er mich geliebt hat. Mein Vater und meine beiden Brüder Gernot und Helmut haben Alois Dietz in die Nelda geworfen und Yoro Mboge erschlagen, während ich bei den Armen Schwestern vom Herzen Mariae war. Gernot hat es gestanden. Mein Adoptivsohn kann es bezeugen. Ich möchte, dass Sie Gernot und Helmut Paintner vor Gericht bringen. Keine Sorge, dass sie zu alt sein könnten, wir sind ein starker Stamm. Und noch etwas: Ich habe meinem Kind damals eine kleine Blechschachtel in die Wiege gelegt. Darin war die Erkennungsmarke von Yoro, ein kleines Foto von mir und so ein Anstecker aus der Märchenserie vom Winterhilfswerk, der Gestiefelte Kater. Ich hoffe, die Ordensschwestern haben es ihm mitgegeben. Dann hat er wenigstens ein Bild seiner Mutter. Von Yoro konnte ich keins machen. Wenn unser Sohn Joseph noch lebt, ist er ungefähr so alt wie Sie. Jetzt wissen Sie alles. Und nun lassen Sie uns hineingehen.
Nein, nein, sagte sie, als Swoboda das Tablett nehmen wollte. Das macht Dorina dann. Ich muss Ihnen noch etwas zu Ihrem Chamäleon sagen. Übrigens ist hier unterm Dach noch ein Atelier des Vorbesitzers, falls Sie mal einen Ortswechsel brauchen, großzügig verglast und Nordlicht!
Sie fuhr voran in den Kaminsalon.
Ich habe versucht, meinem Kind nahe zu sein, und habe mich mit Westafrika befasst, mit den Völkern, den Kulturen, den Mythen.
Vor Swobodas Chamäleonbild hielt sie an und blickte hinauf.
In alter Zeit, heißt es im Volk der Xhosa, wollten die Götter den Menschen, die sie gerade erschaffen hatten, Eigenschaften geben. Einige Götter schickten das Chamäleon mit dem Ewigen Leben auf den Weg zu den Menschen. Andere schickten die Eidechse mit der Sterblichkeit zu uns. Das Chamäleon durfte früher starten. Aber auf dem Weg zu uns dachte es, sein Auftrag sei nicht so wichtig, legte eine Pause ein und schlief. Deshalb kam die Eidechse zuerst bei uns an, und seither sterben wir. Bei den Xhosa wird das Chamäleon verachtet, weil es schuld daran ist, dass wir nicht unsterblich geworden sind. Als ich Ihr Gemälde sah, war mir klar: Sie haben unser verlorenes Ewiges Leben gemalt. Wussten Sie das?
Swoboda sah dem Chamäleon auf seinem Bild in das starre Auge.
Nein, das wusste ich nicht.
Als Aminata am Abend im Hotel Korn eingecheckt hatte und später an der Bar noch einen Whisky trinken wollte, begegnete sie einer Frau in roter Lederjacke und schwarzen Jeans, die dort allein auf einem Hocker saß und den zweiten Weißwein trank.
Für den Barkeeper war die Situation ungewöhnlich. Üblicherweise hatte er durchreisende Männer am Tresen. Heute lediglich zwei weibliche Gäste, jede offenbar ohne Begleitung. Er lächelte. Die beiden Frauen lächelten ebenfalls. Und kurz darauf kamen sie ins Gespräch.
Zwei Stunden später, die Frauen waren mittlerweile per Du, hatte Michaela Bossi ihre neue Freundin Aminata Mboge überzeugt, am folgenden Tag mit ihr zum Landeskriminalamt nach München zu fahren, dort ihre Aussage über die Geschichte ihres Vaters und ihres Großvaters zu wiederholen und die Erinnerungsstücke in der kleinen Blechdose kriminaltechnisch untersuchen zu lassen. Noch war die Ermittlerin nicht davon überzeugt, dass Aminatas Vermutung über den Toten im Fischerhaus zutraf. Aber ein Abgleich der DNA würde zweifelsfrei klären, ob Aminata mit dem Ötzi von der Nelda verwandt war oder
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