Mein ist der Tod
wann?
Möglichst bald, die Abende werden wärmer, da will keiner drin sitzen und Verse hören.
Sie hielt sich gut, dachte er. Bewundernswert. Vor wenigen Augenblicken war er noch darauf vorbereitet, dass sie in Tränen ausbrechen würde.
Tut mir leid, dass du so wenig Bücher verkauft hast.
Sie drückte die Zigarette in den Aschenbecher.
Du bist in bester Gesellschaft. Der Picasso da drüben hängt seit drei Wochen. In acht Tagen muss ich ihn zurückgeben. Nummerierter Originalabzug, erste Litho-Serie auf Bütten, aus der Suite Vollard 1956, signiert. Vier Expertisen. Möchtest du ihn kaufen?
Korell stand auf und ging zur Ausstellungswand. Das Bild war etwa zwanzig mal dreißig Zentimeter groß in einem schweren Ebenholzrahmen und zeigte unter Glas zwei nackte liegende Frauen und zwei nackte Männer mit Champagnerschalen in den Händen, einer davon der stierköpfige Minotaurus. Auf dem Preisschild darunter stand nur ein Buchstabe.
Wie viel?
Dreitausend. Für dich Zweifünf. Mit Rahmen.
Korell lachte und kehrte zum Tisch zurück. Die Paintners könnten es kaufen.
Die Paintners haben vom Großvater einen Lovis Corinth geerbt und einen Lenbach und halten das für die Speerspitze der Moderne. Also, wann willst du hier lesen?
Er sah sie stumm an, legte den Kopf schief und fragte:
Hast du eigentlich was mit deinen Haaren gemacht?
Sie merkte, dass ihr Gesicht rot wurde und ärgerte sich darüber. Die Frage war übergriffig. Sie war seine Verlegerin, er ein kleiner, unbekannter Lyriker. Dennoch gefiel ihr, dass er fragte. Swoboda hatte die neue Frisur nicht bemerkt.
Wieso?
Ich finde dich verändert.
Älter geworden.
Nein. Jünger. Du hast sie abgeschnitten, oder? Und diese Locken hattest du auch nicht.
Martina Matt stand abrupt auf und lief zu ihrem Schreibtisch, um den Kalender zu holen. Sie spürte, dass er sie betrachtete.
Korell kam ihr nach und blieb zu dicht vor ihr stehen.
Es steht dir gut. Wirklich. Gefällt mir.
Sie wich ihm aus, ging zum Besuchertisch zurück, knallte den Kalender auf die Glasplatte, setzte sich und wechselte in ihren geschäftsmäßigen Tonfall.
Jetzt will ich die anderen Gedichte sehen, und wenn sie mir so gefallen wie das erste, machen wir einen Termin.
Korell schlenderte zu ihr hin, stellte sich hinter ihren Stuhl und sagte leise: Zu Befehl.
Swoboda keuchte den Erlenberg hinauf. Er gab sich nicht zu, dass er keuchte. Als er in den Mispelweg einbog, blieb er stehen. Der Schmerz schien vom Magen am Brustbein heraufzukriechen, drang in die Oberarme vor und stieg bis in die Zähne. Dort war er am stärksten und breitete sich im Knochen aus. Swoboda lehnte sich mit dem Rücken an die Gartenmauer und wartete. Seine Gedanken waren klar. Entweder würde jetzt sein Schmerz vergehen oder sein Leben. Er schloss die Augen und blickte in einen Tunnel, an dessen Ende ein winziger heller Punkt leuchtete. Das erinnerte ihn an die Camera Obscura, die er als Jugendlicher im Physikunterricht aus schwarzem Karton gebastelt hatte.
Dann ließ der Schmerz im Oberkiefer nach und zog sich aus den Armen zurück, bildete mitten in der Brust einen Knoten, der langsam schrumpfte, und Swoboda atmete auf.
Blütenduft aus den Gärten.
Er löste sich von der Mauer und stieg den Pfad zum Haus hinauf. Brombeerranken und Schlingen von Wicken überwucherten den Weg und baute Fußfallen über dem vorjährigen Laub. Der Maler sah das Muster am Boden und blieb stehen. Wenn er lange genug auf das Gewirr aus Flächen und Linien hinabsah, wurde die Natur zum grafischen Gebilde und verlor ihr organisches Leben. Der Weg mit seiner verknoteten Flora verwandelte sich in abstrakte Kunst.
So kommen Sie doch herauf, Herr Swoboda, es wird ja der schöne Tee schon gleich kalt!
Dorina Radványi stand im Windfang der Villa und winkte ihm.
Sie wissen doch, Frau Freya erwartet Sie schon so sehnsüchtlich!
Darf ich dir einen Traum erzählen?
Korell hatte sich wieder ihr gegenüber an den Tisch gesetzt.
Ein Poet kann seiner Verlegerin alles erzählen.
Das war leicht hingesagt, und sie meinte es so; ohne die Ironie, die er darin hörte. Sie knabberte lustlos an einem Sandwich, während Korell die schwarze Mappe mit seinen Gedichten so lange vor sich hin und her schob, bis sie exakt ausgerichtet vor ihm lag.
Ich habe von einem Teddybär geträumt.
Was du nichts sagst!
Wenn du dich über mich lustig machen willst, kann ich gleich gehen.
Nein, wirklich, sagte Martina, ich höre dir zu, wirklich, also ein Traum von
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