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Mein ist der Tod

Mein ist der Tod

Titel: Mein ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
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davon, folgte der Uferstrecke, die er als innere Spur kannte. Erst nach Minuten wagte er anzuhalten und sich umzuwenden. Der andere war nicht zu sehen.

    Das Kirchendach fehlte, die Sonne schien auf den Altar, in vier Metern Höhe saß Swoboda im Reitsitz auf dem Leiterwinkel, der Wind blies ihm ins Gesicht, er hielt das riesige Glasfenster in seinen Händen. Die Leiter schwankte.
    Jetzt sah er, warum. Es war nicht das Übergewicht des Fensters, das er nur mit Mühe halten konnte. Unten stand ein schwarzer Mönch und drückte mit der Schulter gegen die Leiterholmen.
    Er schrie auf, doch aus seiner Kehle kam nur ein hoher Pfeifton, der durch den Kirchenraum flog, wieder zurückkehrte und sein rechtes Ohr traf wie ein Pfeil.
    Der Mönch hob den Kopf. Ein unbekanntes Gesicht in der Kapuze. Er rüttelte an der Holzleiter und versetzte sie in stärkere Schwingung. In der Höhe wurden die Ausschläge weiter, Swoboda spürte, dass er die Balance verlor und der Schwindel in seinem Kopf zu kreisen begann, ihm wurde schlecht, seine Beine begannen zu zittern.
    Und wenn Sie erst hier unten am Boden liegen, Swoboda, rief der Mönch, und noch nicht tot sein sollten, genügt ein Schlag! Man wird die tödliche Wunde immer dem Sturz zuschreiben. Aber Sie haben ja die Auferstehung in der Hand. Das wird Ihnen sicher postmortal hoch angerechnet!
    Swoboda sah seinen Mörder direkt unter sich stehen und ließ das Glasfenster auf ihn fallen.

    Er erwachte und spürte eine Hand auf der Stirn. Martina streichelte ihn.
    Langsam öffnete er die Augen und sah die weiße Zimmerdecke.
    Es ist alles gut, sagte Martina, alles gut, du bist in der Klinik, und morgen bist du wieder okay.
    Sie richtete mit der Motorsteuerung das Bettoberteil etwas auf, hielt ihm ein Glas Wasser an die Lippen, er trank.
    So ist es richtig, sagte sie. Du brauchst viel Flüssigkeit. Diesmal war der Hörsturz gewaltig. Die reden hier vom Infarkt im Ohr. Kannst du mich überhaupt hören?
    Er nickte. Was war los?
    Du bist in der Nacht auf dem Kranzplatz umgefallen. Hast dir den Hinterkopf aufgeschlagen und warst bewusstlos. Törring hat dich gefunden. Er hatte so ein Gefühl, dass er dir hinterhergehen sollte.
    Könnte mein Sohn sein und spielt meinen Papa.
    Sei froh. Die Sanitäter haben dich für betrunken gehalten, und wenn er nicht gewesen wäre, hätten sie dich nicht in die Klinik gebracht.
    Toll.
    Martina schwieg. Er starrte auf die Dosierkapsel unter dem Infusionsbeutel, in die jede Sekunde ein Tropfen fiel.
    Sie spürten beide, dass unter der Verstörung durch den Vorfall eine andere Verstörung lag, deren Grund er kannte, während Martina ihn nur spürte. Er hatte nicht den Mut, jetzt von Michaela Bossi zu sprechen, und redete sich ein, dass dies die falsche Situation war. Gab es dafür überhaupt eine geeignete Situation? Irgendwie hatten Martina und er sich ja schon getrennt. Und irgendwie nicht.
    Er wandte ihr das Gesicht zu, und die leichte Drehung des Kopfes ließ den Raum um ihn kippen. Er würgte, Martina griff nach der Spuckschale und dem Zellstofftuch auf seinem Nachttisch. Er unterdrückte die Welle aus seinem Magen, atmete tief und entschuldigte sich.
    Tut mir leid.
    Sie legte die nierenförmige Metallschale zurück und spürte plötzlich einen Widerwillen dagegen, ihn so zu sehen. Sie kam sich wie ein Fürsorgerin vor, das Gegenteil einer Geliebten. Warum hatte er seine Faszination eingebüßt? Wo war das, was sie an ihm bewunderte, den entschiedenen Widerstand gegen sein Leben als Polizist, den Kampf um seine Identität als Künstler? Übrig war ein alter Mann, der sie verlassen und allein leben wollte. Wenn er sich jetzt anders entschied, würde sie ihn vielleicht mit einer gewissen Zuneigung pflegen. Aber lieben? Swoboda sah sie an und erfuhr in ihrem Gesicht, was sie dachte.
    Beide wussten, dass es vorbei war und dass sie nichts dagegen tun konnten. Der Augenblick hatte das Zimmer in zwei Räume mit zwei einsamen Menschen geteilt.

    Polizeirat Klantzammer hatte die Lage – von der Chefermittlerin Bossi darum gebeten – erst für zehn Uhr dreißig einberufen. Bis dahin werde sie aus München zurück sein.
    Wenn sie nicht kommt, fangen wir schon mal an, sagte er und setzte sich an die obere Schmalseite des Konferenztischs. Törring?
    Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, ohne die Fakten, die sie mitbringen wird, unsere eigenen Ergebnisse hin und her zu wälzen.
    Wenn sie welche bringt, sagte Kommissar Viereck, und Sibylle Lingenfels ergänzte:

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