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Mein ist der Tod

Mein ist der Tod

Titel: Mein ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
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Showkünstler oder Statisten beim Film in Babelsberg. Goebbels konnte sie brauchen. Keiner der Zwangssterilisierten ist nach 1945 als Opfer anerkannt worden, keiner erhielt Entschädigung.
    Und all das, schloss Herking seinen Bericht ab, hat, bis auf verschwindende Ausnahmen, die deutschen Zeithistoriker einen Dreck gekümmert. Erst über sechzig Jahre nach Kriegsende haben wir erfahren, dass die Wehrmacht schon 1940 in Frankreich ähnliche Massaker begangen hat wie ein Jahr später auf dem Russland-Feldzug. Über den gab es hier eine kritische Ausstellung. Von den Verbrechen in Frankreich war darin nichts zu finden. Waren ja bloß tote senegalesische Nigger.
    Aminata erschrak über das Wort, bis sie begriff, wie Herking es benutzt hatte. Sie sah auf die Uhr, entschuldigte sich, sie habe Freya versprochen, mittags zurück zu sein. Sie sei von dem nächtlichen Überfall noch immer sehr mitgenommen. Obwohl sie es gewesen war, die durch den Alarm das Schlimmste verhindert hatte.
    Ob Aminata morgen wieder Zeit hätte?
    Herking war aufgestanden und rot geworden.
    Ja, sagte sie, lächelte über seine Schüchternheit und steckte ihr Aufnahmegerät ein.
    Haben Sie keine Angst, dass der Kerl wiederkommt?
    Nein, die Polizei ist innen dem Haus und außen dem Haus. Sentinels, got me?
    Er kam um den Schreibtisch herum. Die Polizei hat bisher keinen Verdacht verlauten lassen. Wissen Sie mehr?
    Sorry, sagte Aminata.
    Herking nickte: Trotzdem. Seien Sie vorsichtig!
    Sie lachte: Ich bin stark!, und verließ die Redaktion.
    Wenige Augenblicke später stand Herkings Kollege vom Sport in der Tür.
    Und?
    Was und?
    Wird sie eingestellt?
    Sie hat sich nicht beworben, oder würdest du von London nach Zungen an der Nelda ziehen, um bei uns zu arbeiten?
    Schade. Mit der würde ich sofort eine Familie gründen.
    Du kannst es ihr morgen früh sagen, da ist sie wieder hier.

    Günther Korell lag mit geschlossenen Augen auf seinem Bett unter dem Glasdach des Ateliers. Sein bleiches Gesicht war von der Anstrengung gezeichnet, mit der er seinen Plan für die nächsten Tage entwarf. Jetzt durfte er nichts mehr falsch machen, auf jeden Schritt kam es an.
    Martina Matt hatte für den kommenden Abend eine Vernissage angesetzt, zu der seine Lesung angekündigt war. Neue Gedichte. Er konnte nicht in Ruhe seine Poesie vortragen, so lange die Hydra sich frei bewegte. Ihr neuer Name Aminata gefiel ihm, doch er ließ sich nicht in die Irre führen: Sie war die Hydra, die Lernäische Schlange, und sie trug diesen rotblond gelockten Kopf, den letzten ihrer Köpfe, mit großer Anmut, um alle zu täuschen. Es war ihr unsterblicher, wollüstiger Kopf, der auch abgeschlagen weiterleben würde, der Kopf, den Herakles nachlässig begraben hatte.
    Nur ein Mittel gab es, um sie endgültig zu vernichten. Er hatte es bei Dante gelesen, auf der Siebenten Terrasse , im XXVI. Gesang des Läuterungsberges war es beschrieben. Danach würde er handeln.
    Er öffnete die Augen. Das Licht, das durch die Dachverglasung einfiel, blendete ihn, aber er zwang sich, die Augen offen zu halten, bis sie tränten. Das göttliche Licht musste in ihn fließen, bis er voll davon war und ganz und gar erleuchtet.
    Unter der Dusche ließ er sich das kalte Wasser so lange über Kopf und Körper laufen, bis seine Haut gefühllos geworden war. Er zog einen dünnen Trainingsanzug an, stieg ins Dachgeschoss hinauf und arbeitete sich eine halbe Stunde am Stepper warm, wechselte auf das Rudergerät, legte sich den Pulsmesser um und brachte sich mit den voreingestellten fünf Kilometern gegen die Strömung ins Schwitzen. Trotz der Anstrengung stieg seine Herzfrequenz nur um rund vierzig Prozent und senkte sich nach dem Ende des Trainings in perfekter Kurve wieder ab. Er war zufrieden mit sich, diesem Körper konnte er viel zumuten.
    Als er den Schrank öffnete, in dem auf einem Brett in Augenhöhe die drei großen Spiritusgläser mit den linken Händen von Nína Jökulsdóttir, Iris Paintner und Saskia Runge nebeneinanderstanden, nahm ein Plan Gestalt an, den er in seinem Kopf so begrüßte, als sei er aus den in Ethanol konservierten Präparaten in seinen Kopf geflogen. Er musste lachen. So einfach war es, so sicher und unumkehrbar!
    Kurz darauf fuhr er seinen Wagen vor den Dienstboteneingang und trug die Glaszylinder durch das rückwärtige Treppenhaus nach unten.

    Alexander!
    Sie stand mitten im Atelier, und ihr Tonfall verhieß nichts Gutes. Beinahe wäre ihm das nasse Glasfenster aus den Händen

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