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Mein Ist Die Nacht

Mein Ist Die Nacht

Titel: Mein Ist Die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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jetzt
klingelte, da machte sie sich nichts vor, ging sie Roland fremd.
Vielleicht nicht sexuell, dafür aber emotional. Sie holte sich
bei einem Fremden das, was Roland ihr nicht gab. Es war aus
moralischer Sicht falsch, das zu tun, darüber war sie sich im
Klaren. Und wenn Roland erfuhr, dass sie sich in ihrer Freizeit
heimlich mit einem anderen Mann traf, würde er toben, sich
vielleicht sogar auf der Stelle von ihr trennen.
    Aber, wenn sie ehrlich
zu sich selbst war: Wollte sie nicht genau das? Ihre Freiheit
zurück haben?
    Er konnte so
schrecklich eifersüchtig sein. Und er war selber schuld daran,
dass es überhaupt soweit gekommen war. Oft genug hatte er sie
ausgelacht. Hatte sie bloßgestellt und für verrückt
gehalten.
    Wut stieg in ihr auf.
Roland hatte sie in die Enge getrieben. Mit einem Ruck schnellte
ihr Finger vor, und sie betätigte den Klingelknopf. Als kurz
darauf der Türsummer ertönte, hatte sie ihr Schicksal
besiegelt.
    »Vierter
Stock«, hörte sie seine Stimme verzerrt aus dem
Lautsprecher der Gegensprechanlage klingen. Zum ersten Mal habe ich
jetzt diese Stimme gehört, dachte sie und stemmte sich gegen
die gläserne Eingangstür, als der Türsummer
ertönte. Mit dem Aufzug fuhr sie in den vierten Stock.
Während sie auf das leuchtende Anzeigepanel blickte, stellte
sie fest, dass ihre Aufregung mit jeder Etage, die sie passierte,
wuchs. Dann blieb der Aufzug stehen. Sie atmete tief durch, bevor
sie die kleine Kabine verließ und sich im dunklen Treppenhaus
wiederfand. Sie hatte keine Ahnung, wie viele Mietparteien auf
dieser Etage lebten. Hohl klangen ihre Schritte von den nackten
Wänden zurück. Es roch nach Essen auf dem Korridor, und
hinter einer Wohnungstüre wurde laut gestritten, auf Russisch
oder Polnisch, so genau konnte Rebecca das nicht zuordnen. Ein
anderer Mieter ließ das Radio auf voller Lautstärke
laufen und beschallte so die ganze Etage des
Wohnblocks.         
    Weiter hinten wurde
eine Tür geöffnet. Rebecca atmete tief durch und zwang
sich zu innerer Ruhe. Ich will nicht mit ihm schlafen. Wir wollen
nur reden, und er hat sich Zeit für mich genommen, machte sie
sich Mut. Ich betrüge Roland nicht.
    »Schön,
dass du da bist.«
    »Du bist
Clay?«, fragte sie verdutzt und machte zwei Schritte
zurück.
    »Ich bin dir
eine Erklärung schuldig. Du hast mich im Drogeriemarkt als
Mark Friedmann kennen gelernt. Es ist so: Als Detektiv arbeite ich
nie unter meinem richtigen Namen. Ich benutze
Decknamen.«
    »Wieso das
denn?«, wollte Rebecca wissen.
    Er schaute sie mit
seinen leuchtend grünen Augen an und sagte: »Na ja,
stell dir vor, ich erwische mal einen Dieb und der findet das dann
gar nicht so lustig. Und will sich womöglich an mir
rächen. Aber wer mich nicht findet, weil er meinen Namen nicht
weiß, der kann mir nichts … ich heiße
übrigens Kai. Aber bitte, komm rein«, sagte er
lächelnd. Zögernd kam sie der Bitte nach und betrat sein
Refugium. In der Wohnung herrschte Dunkelheit. Schwarze
Vorhänge vor den Fenstern sorgten dafür, dass das Licht
der Wintersonne draußen blieb. Es dauerte einen Augenblick,
bis sich Rebeccas Augen an das Zwielicht gewöhnt hatten. Sie
kämpfte immer noch mit ihrer Überraschung, war nicht
imstande, ihre Gefühle in Worte zu packen und
schwieg.
    Er drückte die
Tür leise ins Schloss und legte die Sicherheitskette vor.
»Ich bin ein ängstlicher Mensch«, bemerkte er
lächelnd, als er ihren fragenden Blick sah. Rebecca wunderte
sich über die spärliche Einrichtung seiner Wohnung. Als
sie an der Küche vorbeikamen, warf sie einen Blick hinein.
Alles war sauber und aufgeräumt. Eine Einbauküche, nichts
Besonderes. Die Badezimmertür war zu. Am Ende des Flurs lag
das Wohnzimmer, links das Schlafzimmer. Hier gab es nur einen
Schrank und eine Matratze, die auf dem Boden lag. Auch im
Wohnzimmer gab es kaum Mobiliar. Kein Teppich, keine Bilder an den
Wänden, nichts, was das Wohnen hier gemütlich machen
konnte. An einer Wand stand ein einfaches Sofa, davor ein niedriger
Tisch mit einer staubblinden Glasplatte. Gegenüber ein kleiner
Fernseher samt DVD-Player, daneben auf einer einfachen Kommode eine
kompakte Stereoanlage. Es sah nicht aus wie eine Wohnung. Eher wie
ein Unterschlupf.
    »Hier wohnst
du?«
    »Gefällt es
dir?«
    »Ja.« Sie
log, und sie fürchtete, eine schlechte Lügnerin zu
sein.
    »Setz dich doch,
ich hole uns was zu trinken.« Ohne ihre Antwort abzuwarten,
ließ er sie alleine und ging in die Küche.

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