Mein Ist Die Nacht
Wupperfeld und dem Abzweig nach
Wichlinghausen viel befahren. Nur aufgrund der Witterung und der
Dunkelheit ist es ihm gelungen, die Leiche unbeobachtet dort
abzulegen.«
»Aber es musste
schnell gehen«, murmelte Micha und blies den Rauch seiner
Zigarette an die hohe Decke des Dienstzimmers. Bever rümpfte
bezeichnend die Nase, schwieg aber.
»Dein erster
Gedanke war, dass er mit einem Lieferwagen unterwegs war. Die
Leiche lag demnach auf der Ladefläche. Kötter hielt an
der Ampel, ging nach hinten in den Laderaum, öffnete die
seitliche Schiebetür und beförderte die Leiche ins Freie.
Der Spaß hat maximal eine Minute gedauert«,
mutmaßte Franka.
»Er wohnt am
Sternenberg, das liegt im Norden von Wichlinghausen«,
bemerkte Bever. »Das heißt, wenn er Mandy Klimmek in
Elberfeld getötet und sie danach in seinen Transporter
verfrachtet hat, dann hat er sein Opfer auf dem Heimweg
entsorgt.«
»Am
Sternenberg«, murmelte Franka. »Das ist nicht weit weg
von der Straße Einern, die parallel zur Autobahn 46
verläuft. Demnach hat er sein zweites Opfer, von den
männlichen Toten einmal abgesehen, unweit seiner Wohnung zur
Strecke gebracht.«
»Worauf warten
wir?« Micha drückte den Stummel seiner hastig gerauchten
Zigarette im Aschenbecher aus und klimperte mit dem
Wagenschlüssel.
Bever tippte auf den
Ausdruck des Fotos, dann wandte er sich ab und setzte sich an
seinen Schreibtisch. Hastig machte er sich an seinem Computer zu
schaffen und rief das Einsatztagebuch auf. »Hier«, rief
er. »Ich habe das amtliche Kennzeichen des Lieferwagens, mit
dem er unterwegs war. Haut ab und seht zu, ob ihr ihn in seiner
Wohnung erwischt. Ich schicke euch eine Streifenwagenbesatzung
hinterher, falls es Schwierigkeiten gibt. Währenddessen
kümmere ich mich um den Halter des
Lieferwagens.«
Franka hatte keine
Einwände, und so stürmte sie aus dem Büro. Es galt
nun keine Zeit mehr zu verlieren. Etwas tief in ihrem Innern sagte
ihr, dass Kötter schon wieder auf der Suche nach einem Opfer
war.
72
13.15
Uhr
Eilig huschte sie
über die breite Straße. Ein Laster musste bremsen. Der
Fahrer betätigte die Hupe. Rebecca zeigte ihm den
Mittelfinger, doch der Fahrer grinste nur, dann rollte sein
schweres Gefährt weiter talwärts. Sie hatte die
Straße Sternenberg erreicht. Hier wuchsen Wohnblöcke mit
mehr als zehn Etagen in den grauen Winterhimmel. Die Häuser
hier waren modern und sauber, aber trotzdem wollte sie hier um
keinen Preis der Welt wohnen. Da lobte sie sich die Wohnung am
Rande des Zooviertels, auch, wenn die Miete dort sicherlich um
einiges höher war als hier. Aus der Ferne konnte sie das
gleichmäßige Rauschen der nahen Autobahn hören. Die
Raststätte Wuppertal-Barmen war von hier aus
fußläufig zu erreichen. Doch sie hatte andere
Pläne.
Er lebte in einem
dieser anonymen Hochhäuser am Rand von
Wuppertal-Wichlinghausen. Da es sich bei der Straße um eine
reine Anwohnerstraße handelte, herrschte hier kaum Verkehr.
Mühsam hatte sich die Wintersonne durch die tief
hängenden Wolken gekämpft und tauchte die hohen Fassaden
der umliegenden Häuser in ein milchiges Licht. Rebecca
betrachtete den Eingangsbereich des Mehrfamilienhauses. Hier kannte
sicherlich kein Nachbar den anderen. Sie erinnerte sich an die
Fernsehberichte, in denen es immer wieder mal um einsame Rentner
ging, die erst Wochen nach ihrem Tod halb verwest gefunden wurden.
Hier drin wohnten sicher viele Einsame.
Ihr konnte es egal
sein. Immerhin lebte hier auch jemand, der sie verstand, wie sie
war, der ihre Gefühle und Neigungen nachvollziehen konnte. Ihr
Herz klopfte bis zum Hals, als sie seinen Namen am Klingelbrett
entdeckte. Sollte sie wirklich?
Rebecca streckte die
Hand aus, legte den Zeigefinger auf den Knopf … und
zögerte. Plötzlich war sie sich nicht mehr sicher, ob
das, was sie hier tat, richtig war.
Vielleicht begab sie
sich in Gefahr. Immer wieder las man in der Zeitung von Frauen, die
zum Opfer von Kriminellen wurden, die sich ihre Kontakte im
Internet suchten. Was, wenn er sein Interesse für sie und ihre
Gefühle nur vorheuchelte, um sie in Sicherheit zu wiegen? Was,
wenn er nur vorgab, ein Lord der Dunkelheit zu sein?
Sie stand
unschlüssig da. Die Gedanken schössen wie Blitze durch
ihren Kopf. Aber war dieser Mann denn nicht genau das, was sie sich
immer gewünscht, von ihrem eigenen Mann aber niemals bekommen
hatte? Niemals bekommen würde?
War Clay der Mann, der
sie so akzeptierte, wie sie wirklich war?
Wenn sie
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