Mein Ist Die Nacht
schnell wegnahm und
zusammenfaltete. Der Fernseher lief - irgendeine Talkshow. Schauten
eigentlich alle Leute dieselbe Scheiße? Lisa Krämer
schnappte sich die Fernbedienung von dem gläsernen
Wohnzimmertisch und schaltete die Flimmerkiste ab. »Nehmen
Sie doch Platz. Ich hatte Frühschicht heute und habe mich ein
wenig hingelegt.«
»Danke.«
Micha und Franka setzten sich; ihre Gastgeberin zog sich einen
knallroten Sitzsack heran und ließ sich hinein sinken.
»Also«, sagte sie und stützte das Gesicht in die
Hände. »Was ist mit Thomas und Mandy?«
»Woher kannten
Sie die beiden?«, fragte Micha ausweichend.
»Mandy kenne ich
seit meiner Kindheit. Wir sind so was wie beste Freundinnen.«
Sie lächelte und wandte sich Franka zu. »Sie als Frau
müssten wissen, was ich meine.« Dass Micha in der
Vergangenheit gefragt hatte, war ihr nicht
aufgefallen.
Franka nahm den Faden
auf und lächelte. »Beste Freundin? Das bedeutet, keine
Geheimnisse zu haben, im Cafe über Männer lästern,
stundenlange Telefonate, und so weiter.«
»Genauso ist
es.« Die junge Frau nickte.
»Und Thomas
Belter?«
»Naja, Sie
wissen ja, dass man zum Freund der besten Freundin manchmal ein
… nun, gespaltenes Verhältnis hat. Ich weiß
nicht, woran es liegt, vielleicht deshalb, weil man befurchtet, der
Freund könnte das eigene Verhältnis stören. Aber ich
will ehrlich sein: Ich mag ihn nicht sonderlich. Er ist ziemlich
besitzergreifend und sieht es nicht gern, wenn ich mit Mandy mal
einen Weiberabend mache.« Plötzlich stockte Lisa
Krämer. Sie rang mit den feingliedrigen Händen, blickte
zu Boden, dann ruckte ihr Kopf hoch, und sie sah die Kommissare mit
bangem Blick an. »Ist was mit Mandy?«
»Ihre Freundin
ist tot. Es tut uns sehr leid, Frau Krämer.« Micha
sprach in ruhigem Tonfall. Er hasste es, solche Botschaften zu
überbringen, doch das gehörte nun mal zum Job. »Sie
wurde heute Nacht das Opfer eines Gewaltverbrechens. Die
näheren Umstände möchte ich Ihnen
ersparen.«
»Steckt…
steckt Tom dahinter?« Tränen sammelten sich in den
rehbraunen Augen von Lisa Krämer. »Ich wusste, dass
dieser Mann nicht gut für sie ist. Aber dass er zu so einer
Tat imstande ist … dieses … Schwein!« Sie
ballte die Hände zu Fäusten.
»Wir wissen
nicht, ob er sie umgebracht hat. Deshalb sind wir hier. Wir wissen
aber, dass er letzte Nacht mit Ihnen telefoniert
hat.«
»Er hat mich
gefragt, ob sie hier bei mir ist.«
»Demnach hat er
sie vermisst?«
»Vermutlich
sollte es so aussehen.«
»Frau
Krämer, bitte verrennen Sie sich da nicht in eine Sache. Oder
haben Sie einen konkreten Anhaltspunkt, der Sie annehmen
lässt, dass Thomas Belter in der Lage war, seine Freundin zu
töten?«
»Nein
…jedenfalls nicht direkt.« Sie schüttelte den
Kopf und senkte die Stimme. »Er hat mich gefragt, ob Mandy
bei mir war. Sie hatten wohl etwas Zoff«
»Zoff?«
Franka beugte sich vor.
»Sie war mit
einem Fotografen verabredet, wahrscheinlich für Nacktfotos. Es
war ihm immer ein Dorn im Auge, wenn sie sich für andere
Männer auszog.«
Franka erinnerte sich
an den selbst gedrehten Sexfilm. »War Belter denn so
konservativ?«
»Nein, das
nicht. Aber sehr eifersüchtig. Er konnte regelrecht ausrasten,
wenn jemand seiner Freundin zu nahe kam.« Lisa Krämers
Kopf ruckte hoch. Sie blickte ihre Besucher mit
tränenverschleiertem Blick an. »Haben Sie ihn
festgenommen, weil er unter Mordverdacht steht?«
»Das wird leider
nicht möglich sein«, antwortete Franka. »Auch
Thomas Belter wurde letzte Nacht das Opfer eines Gewaltverbrechers.
Direkt vor seinem Haus in Schwelm wurde er
getötet.«
»Oh mein
Gott.« Lisa Krämer sprang auf und wanderte durch das
Wohnzimmer. Am Fenster blieb sie stehen und blickte hinab auf die
Straße. Das Schneetreiben wurde dichter, direkt vor dem Haus
hatte ein Lkw Schwierigkeiten, die steil ansteigende Straße,
die zur Autobahn führte, hinaufzukommen. Der hubraumstarke
Dieselmotor dröhnte wie ein gequältes Tier. Lisa
Krämer beobachtete das Geschehen auf der Straße und
wandte den Polizisten den Rücken zu. »Ich kann mich
nicht daran erinnern, wann es um diese Jahreszeit zuletzt so
geschneit hat. Glauben Sie an eine weiße Weihnacht in diesem
Jahr?«
Weder Franka noch
Micha antworteten. Sie wussten, dass sich Lisa Krämer
abzulenken versuchte. Doch vergeblich, denn die Wirklichkeit
streckte bereits wieder die eiskalten Krallen nach ihr aus.
Immerhin hatte sie ihre beste Freundin
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