Mein Ist Die Nacht
sie als
Kind schon als zu lang empfunden. Die braunen Augen bildeten einen
Kontrast zu dem langen, pechschwarzen Haar, das sie meist offen
trug und das sich nun an ihre nackten Schultern schmiegte. Nur
selten band sie die Haare zu einem Zopf oder machte sich mit einer
Spange einen Pferdeschwanz. Die Lippen waren ein wenig zu dick, wie
sie fand, doch die Männer, mit denen sie zusammen gewesen war,
hatten immer von ihrem sinnlichen Kussmund geschwärmt. Alles
Auslegungssache, dachte sie amüsiert, während sie sich
ansah.
»So übel
sehen Sie gar nicht aus, Frau Kommissarin«, grinste sie und
überlegte, ob sie selbst Spaß daran haben könnte,
sich auf diese Weise fremden Männern zu präsentieren. So
nackt. So pur. Wohl eher nicht. Sie war nicht prüde und liebte
auch guten Sex - den richtigen Mann an ihrer Seite vorausgesetzt -
aber in einer Hinsicht war sie sehr altmodisch, und dazu bekannte
sie sich auch: Sex war eine Sache zwischen zwei Personen. Niemand
hatte das Recht, sie dabei zu beobachten, sie nackt zu betrachten.
Sie konnte nicht nachvollziehen, was in Mandy Klimmek vorgegangen
war. Fest stand nur, dass ihr die Neigung, sich offen zu zeigen,
zum Verhängnis geworden war. Sie hatte Thomas Belter immer und
immer wieder verletzt, indem sie sich ausgezogen hatte, um sich von
anderen Männern ansehen zu lassen und deren Fantasie zu
beflügeln.
Ein altes Sprichwort
kam ihr in den Sinn: Wer sich in Gefahr begibt, der kommt darin um.
Dieser Spruch traf für Mandy Klimmek wohl genau ins Schwarze.
Gleichermaßen ärgerte sich Franka jetzt darüber,
dass es offenbar so schwer war, die Spur des letzten Mannes, mit
dem sich Mandy Klimmek getroffen hatte, zurückzuverfolgen. Er
schien äußerst intelligent zu sein und seine Taten lange
vorher zu planen. Es war nichts Außergewöhnliches, dass
Mörder hochintelligente Zeitgenossen waren, aber in einem
Zusammenhang mit einer Sexualstraftat kam das doch eher selten
vor.
Nachdem Franka sich im
Spiegel betrachtet und ihren Gedanken nachgehangen hatte,
schlüpfte sie in den gemütlichen Hausanzug und
marschierte in die Küche zurück. Der Ofen hatte seine
Betriebstemperatur erreicht. Schnell schob sie die Pizza aufs Blech
und nippte an ihrem Rotwein. Es dauerte nur wenige Minuten, bis es
in ihrer kleinen Küche herrlich duftete. Sie drehte das Wasser
der Wanne ab, legte ein Badetuch bereit und ging zurück in die
Küche, wo sie sich am Küchentisch niederließ. Dort
lag der Ordner, den sie von Georg bekommen hatte. Sie konnte nicht
anders, setzte sich an den Tisch, zog den rechten Fuß unter
den Hintern und schlug die Akte auf. Wahllos blätterte sie in
den Ausdrucken. Es gab Protokolle von Mandy Klimmeks Internetaktivitäten,
E-Mail-Adressen und einigem mehr. Franka erhob sich, ging ins
Wohnzimmer und kehrte mit ihrem Laptop zurück an den
Küchentisch. Sie klappte das kleine Gerät auf und ging
ins Internet.
Sie gab testweise den
Namen einer Domain ein, der ihr bei der Durchsicht aufgefallen war.
Sie landete auf einer Datenbank, die Modelle an Fotografen und
andersherum vermittelte. Franka klickte sich durch die Seiten und
fand einige Setcards. Teilweise schön und ästhetisch,
teils einfach nur auf Nacktheit bedacht, nur, um männliche
Betrachter dazu zu bewegen, sich in die Mitgliedsliste des
Anbieters eintragen zu lassen. Das war es nicht, was Franka wollte.
Sie löste sich von der Arbeit und blickte in den Backofen. Der
Käse der Pizza war goldgelb und an den Kanten leicht braun -
genauso liebte sie es. Sie erhob sich und schob die Pizza auf einen
runden Holzteller. Nachdem sie sich Besteck geholt hatte,
ließ sie sich wieder am Küchentisch nieder. Jetzt erst
bemerkte sie, wie groß ihr Hunger war und sie schlang die
Pizza viel zu schnell hinunter. Zwischen den Bissen spülte sie
immer wieder mit einem Schluck Rotwein nach.
Während sie
aß, arbeitete sie weiter. Auf der Internetseite gab es die
Möglichkeit, einen Fotografen zu finden, sie gab Fotografen
aber auch die Möglichkeit, ein Model zu finden. Als Franka
sich durch die Fenster klickte, fand sie auch eine Seite, auf der
man gegen Bezahlung seinen selbstgedrehten Porno einstellen konnte.
Sofort dachte sie wieder an die DVD, die sie am Vormittag in der
Wohnung von Mandy Klimmek gefunden hatte. Hatte sie den Film nur
gedreht, um ihn ins Netz zu stellen? Wie hatte sie Belter dann
davon überzeugen können, bei diesem Spiel mitzumachen?
Vermutlich hatte sie ihm vorgegaukelt, den Film drehen zu wollen,
um ihn
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