Mein Ist Die Nacht
Kommunikation. Doch dieses Defizit musste er nicht
innerhalb der nächsten fünf Minuten bei ihr ausgleichen.
»Hast du denn schon mehr über den Rechner von Mandy
Klimmek rausbekommen?« Sie waren an ihrem Wagen angekommen,
den sie in der Druckerstraße abgestellt hatte. Eine matschige
Rest-Schneeschicht bedeckte das Dach des Golf.
Georg nickte.
»Das war eine Lebefrau, sag ich dir. Kein Kind von
Traurigkeit, wie es meine Mutter früher immer
nannte.«
»Mach es nicht
so spannend«, rief Franka. »Was ist los mit dem
Computer?« Sie schloss die Türen auf und klemmte sich
hinter das Lenkrad. Der Motor sprang mit der ersten Drehung am
Zündschlüssel an. Georg ließ sich auf den für
seine Gestalt viel zu kleinen Beifahrersitz sinken. »Wie ihr
ja schon rausgefunden habt, war die Frau als Sexmodel tätig.
Sie war in unzähligen Foren angemeldet, und auch auf den
Datenbanken diverser Fotografen taucht sie immer wieder mit ihren
Bildern
auf.«
»Sie hat, glaube
ich, eine Karriere als Model angestrebt - also hauptberuflich,
meine ich«, überlegte Franka, legte den ersten Gang ein
und fuhr los. Obwohl es noch nicht sehr spät war, herrschte
kaum noch Betrieb auf den Straßen. Es war ein
ungemütlicher Abend in der Stadt, und wer bei diesem Sauwetter
nicht unbedingt raus musste, blieb lieber zuhause. Franka
fröstelte und sie sehnte sich nach einem heißen Bad und
einem Erkältungstee. Ihre Glieder schmerzten, und im Hals
machte sich ein trockenes Kratzen breit.
»Mit solchen
Fotos kann man sich eine ernsthafte und seriöse Karriere als
Fotomodell aber ganz schnell versauen«, antwortete Georg.
»Ich habe in einem Forum gelesen, dass unter den Fotografen
einige Lustmolche unterwegs sind, die zwar ein hohes Honorar
bieten, aber der Vorteil für das Model ist eher temporär.
Sie hat zwar im Augenblick mehr Geld in der Tasche, wird aber
danach nicht mehr gern gebucht - jedenfalls nicht von seriösen
Aktfotografen.«
»Was denkst du?
Ist sie auf einen solchen Fotografen reingefallen? Ich könnte
mir vorstellen, dass sie die Szene ganz gut kannte. Dumm scheint
sie nicht gewesen zu sein. Vielleicht war sie extrem zeigefreudig,
übrigens sehr zum Ärger ihres festen
Freundes.«
»Es gibt viele
Fotografen, die so was wie die Setkarten ihrer Models online
stellen. Aber daran kann man nicht unterscheiden, ob es sich um
einen einigermaßen seriösen Fotografen
handelt.«
»Das scheint mir
ein ziemlich tiefer Sumpf zu sein«, murmelte Franka. Sie
ahnte, dass sie auch zuhause keinen Abstand zum Job gewinnen
würde. Immerhin lag der dicke Aktenordner, den Georg ihr in
die Hand gedrückt hatte, auf der Rücksitzbank und wartete
darauf, gelesen zu werden.
»Allerdings. Es
ist nicht meine Aufgabe, aber ich würde euch raten, all diese
Fotografen, die hier unterwegs sind, mal auf die Nerven zu
gehen.«
»Woher
weiß ich, wo welcher Fotograf sitzt und
arbeitet?«
»Ich habe eine
Liste ausgedruckt«, strahlte Georg. »Ist alles in dem
Ordner. Übrigens kannst du mich da vorne an der Kreuzung raus
lassen, den Rest schaffe ich zu Fuß.«
»In
Ordnung.« Franka setzte den Blinker und steuerte den Wagen an
den Straßenrand. Georg löste schwerfällig den
Sicherheitsgurt und schälte sich aus dem Wagen. Draußen
angekommen, hielt er den Kopf noch mal ins Wageninnere, grinste und
sagte: »Dank dir fürs Mitnehmen. Und mach dir einen
schönen Feierabend. Versuch mal abzuschalten.« Damit
knallte er die Tür zu und stapfte hinaus in die nasskalte
Nacht.
Als Franka anfuhr,
seufzte sie. »Leichter gesagt als getan.«
28
19.40
Uhr
Natürlich hatte
sie den Aktenordner nicht im Wagen liegen lassen. In ihrer Wohnung
angekommen, drehte sie zunächst einmal die Heizung in allen
Räumen an und zog die Gardinen zu. Auf die trostlose Szenerie
da draußen hatte sie keine Lust mehr. Franka ging zur
Stereoanlage und legte eine CD ein. Die leise Musik, die aus den
Boxen drang, entspannte sie und brachte sie auf andere
Gedanken.
Sie spürte
Hunger. Sie heizte den Backofen vor, schenkte sich ein Glas Rotwein
ein und ließ sich ein Erkältungsbad mit Eukalyptuszusatz
einlaufen. Während der Ofen vorheizte und die Wanne einlief,
entkleidete sich Franka und suchte im Schlafzimmer nach dem
flauschigen Hausanzug. Als sie nackt vor dem Spiegelschrank stand,
betrachtete sie ihren Körper im diffusen Licht der kleinen
Nachttischlampe. Sie sah eine schlanke Frau mit berufsbedingt
sportlicher Figur und vollen Brüsten. Ihre Nase hatte
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