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Mein Koerper und ich - Freund oder Feind

Mein Koerper und ich - Freund oder Feind

Titel: Mein Koerper und ich - Freund oder Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanne Seemann
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Betroffenen und ihrer Umgebung. Hinzu kommt: Was ein Mensch (dringend) braucht, verändert sich im Laufe des Lebens.
Entwicklungsetappen
Frühe Kindheit
    Ganz am Anfang, wenn ein Kind geboren wird, sind zwei Dinge wichtig: zuverlässige emotionale Nähe einer Bezugsperson und Nahrung, und zwar in dieser Reihenfolge. René Spitz, ein Kinderarzt, der Babys in einem amerikanischen Waisenhaus medizinisch betreute, wunderte sich, dass einige der Kleinen ohne ersichtliche Krankheit starben – und zwar nicht den plötzlichen Kindstod. Es war einfach so etwas wie ein Verlöschen der Lebenskraft. Diese Kinder waren mit Nahrung, Hygiene und Betreuung gut versorgt. Aber es gab da so etwas wie heute bei uns in den Krankenhäusern – Funktionspflege. Die Kinderschwestern wechselten dauernd, gingen von einem Kind zum anderen, hatten sie sicher alle lieb – aber die Babys merkten, dass niemand wirklich zu ihnen gehörte. Wie kann das sein, da Babys, so klein wie sie sind, doch noch gar nicht denken können?
    Diese kleinen Lebewesen haben etwas, wenn sie auf die Welt kommen, das es ihnen ermöglicht zu unterscheiden: gut für mich – schlecht für mich, mag ich – mag ich nicht, schmeckt und riecht gut – oder eher nicht. Räumlich gesehen heißt das: hin zu – weg von. Als Erwachsene würden wir dieses Gespür Sympathie nennen – eine Reaktion, die schnell und eindeutig auf Menschen und die Welt antwortet. Ganz kleine Kinder könnten ohne dieses spontane Urteilsvermögen nicht überleben. Da zeigt sich bereits gleich nach der Geburt die schon vielfach gepriesene Intelligenz des Organismus: zu merken, ob alles in Ordnung ist. Mit seiner Handlungskompetenz ist es noch nicht so weit her – wenn etwas Wichtiges fehlt, braucht er einen zuverlässigen anderen, der für ihn sorgt. Hier bildet sich etwas ab, das analog ist zu der späteren Symptomsprache des Körpers: Auch das Baby drückt sich nicht verständlich aus – es fordert etwas, indem es schreit. Wie findet man heraus, was es will? Empathische Mütter entwickeln ein Gespür dafür, und wenn das Kind zufrieden Ruhe gibt, ist alles wieder gut. Genauso wie mit einem Kind ist es mit den psychosomatischen Symptomen.
    Wenn das Kind heranwächst, wird dieses ursprüngliche Gespür, was ihm behagt und was nicht, sehr bald überformt durch Normen, Moden, Begründungen und Berechnungen. Wenn mir ein Kind sagt, dass es nicht weiß, was ihm schmeckt und was es schön findet, dann frage ich mich und auch das Kind, wo es wohl sein Krokodils-Hirn gelassen hat. Das Krokodil sitzt vermutlich be- und verkümmert irgendwo im Hirnstamm und traut sich nicht mehr, etwas zu sagen. Dabei ist es das erste und wichtigste Urteilsinstrument, das wir haben. Die Physiologen nennen es Reptilienhirn – manche Menschen denken bei Reptilien an Schlangen, und die mögen sie nicht – ich nenne es das Krokodilshirn. Denn an ihm kann man zeigen, welche enormen Fähigkeiten es hat – dieses alte Hirn.
    Zuerst einmal das Krokodil, das natürlich auch ein Krokodilshirn hat: Es kann auf einem instinktsicheren Niveau genau das, was ich ganz oben als die Intelligenz des Organismus bezeichnet habe: wahrnehmen, was los ist, und wenn etwas fehlt, schnell handeln, wenn es zu kriegen ist. Ein Krokodil richtet sein Wahrnehmungsinteresse natürlich vor allem auf Futter –genauer, auf das Auftauchen einer Antilope am Wasserloch. Schnell geurteilt: hungrig, schmeckt gut, blitzschnell zugepackt. Danach schläft es und träumt von der nächsten Antilope. So ist das auch bei gesunden Babys. Auch sie schlafen viel, verdauen, träumen – von der Mutterbrust, und wenn man so ein kleines Wesen mal beobachtet hat, wie es nach der Brust seiner Mutter schnappt, denkt man: so soll das sein. Auch später: Wenn wir heute beklagen, dass viele junge Leute keinen »Biss« fürs Leben haben, so fehlt es vermutlich zuerst einmal am Träumen – was ist die Antilope für den Jugendlichen? – und dann am Zuschnappen, wenn sich eine günstige Gelegenheit bietet, das erfordert hohe und zielsichere Aufmerksamkeit!
    Aber zurück zu den Babys. Es ist immer Besorgnis angesagt, wenn ein Kind das Essen und damit das Leben verweigert. Dann fehlt ihm etwas Grundlegendes: Liebe, Sicherheit und Geborgenheit. Und dass man daran sterben kann, hat uns René Spitz gesagt.
    Ein Verstoß gegen das Sicherheitsbedürfnis eines Kleinkindes –das an die ihm nahestehenden Person(en) gebunden ist – ist zum Beispiel Unsicherheit oder Angst der Mutter, der

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