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Mein Koerper und ich - Freund oder Feind

Mein Koerper und ich - Freund oder Feind

Titel: Mein Koerper und ich - Freund oder Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanne Seemann
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drohende Verlust an Geborgenheit durch brüchige Familienverhältnisse oder schwere Erkrankungen oder Tod der Bezugspersonen. Das Kind ist auf Sicherheit gebende erwachsene Menschen angewiesen – es erscheint mir besser, frohgemut ein paar gravierende Erziehungsfehler zu machen, als dem Kind die eigenen Ambivalenzen und Unsicherheiten ständig zuzumuten. Es wird darauf körperlich und seelisch reagieren, mit der Haut, dem Bauch, dem Schlafen und dem Essen. Gottlob sterben nur wenige dieser Kinder. Sie kämpfen sich durch, vielleicht sogar ohne Symptome – der Körper wartet, bis die Zeiten besser geworden sind, und dann kehrt er in seiner Erinnerung in die Mangelsituation zurück und stellt Nach-Forderungen. So sind die Symptome zu deuten, die im Abschnitt Körpererinnerung beschrieben wurden. Es wird nichts vergessen.
    Dass sich so eine Körpererinnerung lange Zeit erhalten kann, erzählte mir kürzlich eine Studentin: Manchmal sei ihr Magen total verschlossen, wie blockiert, sie könne dann überhaupt nichts essen und magere ab – was ihr gar nicht recht sein konnte, sie war sowieso sehr dünn. Irgendwie habe das aber nichts mit ihrem typischen Studien-Stress zu tun, auf den reagiere sie eher mit Kopfweh. Ich erzählte ihr die Geschichte von den Babys, die das Essen verweigern, und sie sagte: »Ja, ich glaube, das stimmt, das passiert mir immer, wenn mir die Liebe abhandengekommen ist. Aber, was ich komisch finde: Auch wenn ich verliebt bin, spüre ich das im Magen – aber nicht als Blockade, sondern sehr angenehm und kribbelig. Dann esse ich übrigens auch ziemlich viel.«
    Der Ausgewogenheit wegen muss noch ein Wort zum Gegenteil von Vernachlässigung gesagt werden: Überfürsorglichkeit hat mindestens genauso schlimme Folgen, nur ein bisschen später. Da komme ich wieder auf den schon oft beschworenen Wechsel zurück: Die gute Balance besteht in einem Wechsel zwischen Sicherheit auf der einen Seite und Autonomie, Abenteuer und Herausforderung andererseits. Letzteres wird so manchem Wohlstandskind verwehrt, es hat kaum mehr Gelegenheit, Mut zu zeigen, eine Gefahr zu bestehen, etwas zu bewältigen. Denken wir bei dieser Gelegenheit auch einmal mit Schrecken an zu große Hygiene – da fehlt dem Körper diese Herausforderung mit Bakterien, blühenden Wiesen, um mit dem ganz normalen Umweltdreck fertig zu werden. Organe, die nicht benutzt werden, verkümmern, das gilt für das Immunsystem genauso wie für das Gehirn und die Muskulatur. Chronischer Mangel an Herausforderung ist die Basis für so manche Autoimmunreaktion – wenn der Organismus bei Berührung mit etwas Fremdem panikartig reagiert. Das ist so analog im Körper wie in der Psyche. Ein bisschen Robustheit kann nicht schaden. Aber eben im Wechsel!
Schulzeit
    Das Kind wird größer, und die nächste Übergangskrise kommt schon herbei: Das Kind muss hinaus ins feindliche Leben. Die Mutter fürchtet sich, das Kind auch, wenn es nicht vorher so sicher geborgen war, dass es nun neugierig ist auf das Draußen. Beide brauchen dafür Mut. Früher oder später, nach dem Schuleintritt, manche erst im Gymnasium oder der Realschule, bekommen Kinder das sprichwörtliche Schulbauchweh. Der Bauch ist das Zentralorgan der Psychosomatik. Alles im und um den Bauch herum kann reagieren, meist morgens vor der Schule, weshalb das Kind nicht hin kann. Denn, wenn es blass ist, sich übel fühlt, vielleicht sogar erbricht oder schon mit Migräne erwacht, kann es da in die Schule gehen und eine Mathe-Arbeit schreiben? Nein – kann es nicht.
    Es muss gesagt werden, dass die Vermutung, das Kind habe irgendeine Art von Angst, Scham oder Vorbehalt, richtig ist. Falsch ist es aber zu meinen, das Kind könne darüber Auskunft geben. Wenn das Kind wüsste, warum es Bauchweh hat, wäre die Angelegenheit (möglicherweise) zu bereinigen – zur Not durch einen Schulwechsel. Um es gleich zu sagen: Ein Schulwechsel hat schon oft solche Symptome zum Verschwinden gebracht – es wäre vielleicht einen Versuch wert, aber da man nicht sicher davon ausgehen kann, dass es klappt, ist das kein probates Mittel – auch nicht so oft wiederholbar. Also, was tun?
    Zuerst einmal hinschauen – ebenso, wie es bei eigenen Symptomen empfohlen wurde. Sie als Hilferuf und Appell verstehen, dass irgendwas nicht stimmt. Es sind meist nicht so sehr die hohen Lernanforderungen, sondern Reaktionen auf emotionale Kälte, soziale Einsamkeit, Mobbing – natürlich auch Hilflosigkeit, wenn die Anforderungen den

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