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Mein Koerper und ich - Freund oder Feind

Mein Koerper und ich - Freund oder Feind

Titel: Mein Koerper und ich - Freund oder Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanne Seemann
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Regenbogen.
    Das Leben ist wie ein Regenbogen – manchmal sind seine Farben brillant und dicht, dann ist das Leben in seiner Fülle. Manchmal sieht man ihn kaum, dann ist er durchsichtig und fadenscheinig und die ganze Farbigkeit scheint dahin zu sein. Das sind dann die kargen Zeiten des Lebens, wenn man sich fragt, ob es noch lebenswert ist. Aber wie beim Regenbogen: Es kann sich schnell wieder ändern.
    Kennen Sie das Märchen, in dem ein Kind den Regenbogen bestaunt und einer zu ihm sagt: Wenn du an das Ende des Regenbogens kommst, findest du einen Schatz! Und das Kind geht und geht und findet das Ende des Regenbogens nicht – aber unterwegs erlebt es so allerlei.
    Dabei stimmt es: Am Ende oder am anderen Ende, dem Anfang des Lebensbogens liegt ein Schatz. Man findet ihn eigentlich nicht, hat ihn aber: Das ist die Geburt und der Tod, an dem einen wie am anderen Ende des Lebens. Wussten Sie eigentlich, dass Regenbögen rund sind? Oben in der Luft, zum Beispiel vom Flugzeug aus, kann man vollendet runde Regenbögen sehen, wenn man Glück hat. Und es steht zu vermuten, dass es sich mit dem Lebensbogen des Menschen auch so verhält.
    Nun aber zum Lebensbogen als der Zeitspanne unseres Lebens auf der Erde. Ob wir alt werden oder nur kurze Zeit leben, es ist immer ein vollständiger Bogen. Und ein Bogen hat es so an sich, dass er aufsteigt, sich wendet und wieder abwärts führt. Wenn es vom Zenit des Lebens abwärts geht, finden das die meisten Leute gar nicht gut – wieso eigentlich? Das beruht auf einem Gerücht, das die Alternsforscher ausgestreut haben und das sich in den Köpfen festgesetzt hat: abwärts heißt zunehmend defizitär.
    Das kann man auch anders sehen: Wenn einer den Berg hinaufsteigt, dann hat er einen recht eingeengten Blickwinkel. Er muss sein Ziel im Auge behalten, darf die Richtung nicht verlieren, muss sich einen gangbaren Pfad suchen, aufpassen, dass er nicht abstürzt oder von heimtückischem Steinschlag erwischt wird, den missgünstige Berggeister oder Kollegen auf ihn werfen, kann also kaum nach rechts und links schauen und die Aussicht genießen und muss sehen, wie er vorankommt. Oben erfolgreich angekommen, hoffen wir, dass er ein Hochplateau vorfindet, wo man sich ein wenig ausruhen kann auf seinem Erfolg – da kann er sich gleich den nächsten Gipfel ausgucken und sich wieder und immer noch mal auf den nächsten steilen Weg zu weiteren Erfolgen machen.
    Aber: Runter müssen wir immer. Nun also der Abstieg. Wie das klingt – nicht gut, wenn man es auf das eigene Leben bezieht? Aber gemach! Schauen Sie sich erst einmal um – und was sehen Sie? Eine grandiose Aussicht. Langsam schauen! Viele Wege, die hinunter ins Tal führen. Wählen Sie einen leichten, Sie haben es verdient. Gehen Sie leichten Fußes. Suchen Sie nicht den kürzesten Weg wie beim Aufsteigen – nein, wählen Sie den bequemsten. Denken Sie an das Wasser, wenn der Schnee zu schmelzen beginnt. Wie es anfängt, zu rinnen und zu mäandern in kleinen Bächlein hierhin und dahin – obwohl alle Wasser ihren Weg kennen und finden: hinunter ins Tal, in den Fluss und letztendlich ins Meer. Das hat keine Eile. Genießen Sie die Aussicht, wählen Sie Ihre Pfade mit Bedacht und nicht, wie früher nach Effizienz, sondern vielleicht nach Neugier, nach Schönheit, nach ihrem ureigensten Bedürfnis. Jetzt ist die Zeit gekommen, wo Sie nicht mehr schauen müssen, ob die anderen hinterherkommen oder ob Sie eingeholt oder überholt werden. Nun können Sie es sich leisten, Ihren eigenen Rhythmus beim Gehen zu finden – je nach Tagesform und Lust und Laune. Nun auch können Sie verweilen, wo immer Sie mögen, können neue Gegenden erkunden, wo Sie immer schon mal hinwollten, und wenn Ihnen danach ist: fangen Sie Schmetterlinge, vielleicht auch Frösche.
    Und während Sie so gemütlich bergab schlendern, werden Sie nach und nach mit dem Gedanken vertraut werden, dass Sie das Ende Ihres Regenbogens doch eines Tages finden und dass es vielleicht, wer weiß, doch einen Schatz bereithält.
    Wie sagen doch alte Leute, meine Großmutter z.B.: »Schätzchen, du weißt doch, das Ende des Lebens ist bestimmt. Es steht schon festgeschrieben in deinem Lebensbuch. Bis dahin kannst du machen, was du willst – es wird dir vielleicht einiges passieren, sterben wirst du nicht. Also würde ich dir raten: volles Risiko voraus. Wenn der Zeitpunkt deines Todes gekommen ist, dann kannst du wieder machen, was du willst – dann wird gestorben, merk dir das.

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