Mein Leben
würde ich es nicht schaffen, also bat ich um Hilfe, sank auf die Knie und kapitulierte.
Und nach wenigen Tagen bemerkte ich, dass etwas mit mir geschehen war. Ein Atheist würde wahrscheinlich sagen, da habe sich eben meine Einstellung geändert, und in gewisser Weise stimmt das sogar, aber es steckte noch sehr viel mehr dahinter. Ich hatte einen Ort gefunden, an den ich mich wenden konnte, einen Ort, von dem ich immer gewusst hatte, dass es ihn gab, an den ich aber nie wirklich hatte glauben wollen. Von diesem Tag an bis zum heutigen habe ich jeden einzelnen Morgen gebetet, auf den Knien gelegen und um Hilfe gefleht, und jeden einzelnen Abend habe ich für mein Leben und, vor allen Dingen, für meine Nüchternheit gedankt. Auf den Knien, weil ich spüre, dass ich mich beim Beten erniedrigen muss, und mehr geht bei meinem Ego nicht.
Wenn ihr fragt, warum ich das alles mache, will ich es euch sagen ... weil es funktioniert. So einfach ist das. In der ganzen Zeit, seitdem ich nüchtern bin, habe ich nicht ein einziges Mal ernsthaft daran gedacht, Alkohol oder Drogen zu mir zu nehmen. Ich habe kein Problem mit Religion, und ich bin mit einer großen Neugier auf spirituelle Dinge aufgewachsen, aber meine Suche hat mich von der Kirche und gemeinsamem Gebet weg- und zu einer Reise in mein Inneres hingeführt. Vor meiner Genesung fand ich meinen Gott in der Musik und in den Künsten, bei Schriftstellern wie Hermann Hesse und Musikern wie Muddy Waters, Howlin’ Wolf und Little Walter. In gewisser Weise und in gewisser Form war mein Gott schon immer da, aber jetzt hatte ich gelernt, mit ihm zu sprechen.
Kurz vor Weihnachten verließ ich Hazelden und flog zu Lori und Conor nach Hurtwood. Da gab es viel zu tun und aufzuräumen, und Lori half mir sehr dabei. Anscheinend wusste sie intuitiv, dass ich noch nicht so weit war, eine Entscheidung über unsere Situation zu treffen, und wartete einigermaßen gelassen ab, wohin die Dinge sich entwickeln würden. Schon seltsam, aber der erste Mensch, den ich nach meiner Rückkehr sehen wollte, war Pattie. Unsere Trennung war so unerfreulich gewesen, und ich wollte sehen, ob vielleicht doch noch wenigstens ein Funke Freundschaft geblieben war. Wir trafen uns zum Lunch, und es war großartig. Ich konnte keine Feindschaft für sie empfinden, und wir sprachen offen und ohne Hinterlist miteinander, was für mich wie ein Wunder war.
Gegen Ende des Jahres 1987 rief mich die Telefondame wieder an und erzählte, man habe ihr die Wohnung gekündigt und sie brauche Geld. Ich kann mich nicht erinnern, ob sie sagte, dass sie schwanger sei, jedenfalls beging ich den Fehler, ihr etwas Geld zu schicken. Und damit hatte ich die Büchse der Pandora geöffnet. Von diesem Tag an verfolgte sie mich jahrelang. Es begann im Frühjahr 1988 mit Fotos von ihr in den Boulevardblättern, auf denen sie scheinbar hochschwanger zu sehen war, und widerlichen Schlagzeilen, in denen ich aufs übelste beschimpft wurde. Das ging einen Monat lang so, bis eine junge Frau, die offenbar für sie arbeitete, sich bei der Presse meldete und erklärte, das Ganze sei ein Schwindel. Die Fotos seien mit Kissen aufgenommen worden, und an der ganzen Geschichte sei nichts dran.
Später erfuhr ich, dass sie es mit derselben Masche auch bei einigen anderen Musikern versucht hatte. Meiner Wenigkeit blieb es vorbehalten, nach dem Köder zu schnappen, womit sich mal wieder das alte Sprichwort bewahrheitet »There’s one in every crowd«. Die Zeitungen brachten winzige Entschuldigungen im Kleingedruckten, aber ich war zutiefst erschüttert. Immerhin bestand ja die Möglichkeit, dass sie tatsächlich schwanger war, und mir schwindelte bei dem Gedanken, was für Pflichten in diesem Fall auf mich zukommen würden. Und das alles, nachdem man mich gerade zum zweiten Mal aus der Entzugsklinik entlassen hatte. Wenn das kein Sprung ins kalte Wasser war.
In den nächsten Jahren tauchte die Telefondame ab und zu noch einmal auf, manchmal bei helllichtem Tag auf der Straße. »Du wirst mich niemals mehr los«, schrie sie mich dann an. Jemand wie ich, der von Natur dazu neigt, das andere Geschlecht zu fürchten, konnte da schon mal in Panik geraten. Allmählich zog sie sich jedoch zurück, bis ich sie eines Tages in New York zufällig wiedersah, mit einem Musiker, einem Freund von mir, mit dem sie jetzt offensichtlich zusammenlebte. Ich war baff. Es drängte mich, ihn darüber aufzuklären, um wen es sich bei ihr handelte und wozu sie fähig war.
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