Mein Leben
Jetzt, da es wirklich passieren sollte, fühlte ich mich dem plötzlich nicht mehr gewachsen. Ich war wie gelähmt. Eigentlich lachhaft, denn von mir wurde ja kaum etwas erwartet. Ich sollte bloß im Hintergrund anwesend sein, aber das Unbekannte machte mir Heidenangst.
Es war der 15. Juni 2001. Wir fuhren direkt ins Krankenhaus, und abends gegen zehn kam unsere Tochter Julie auf die Welt. Einen kleinen Dämpfer erhielt unser Glück durch einige unbedeutende Komplikationen, mit denen wir nicht gerechnet hatten. Ich hatte immer gedacht, Babys saugen instinktiv an der Brust ihrer Mutter, ohne dass man es ihnen erst beibringen muss. Bei Julie war das nicht so. Sie schien verwirrt und wollte einfach nicht. Später in England wurde festgestellt, dass ihre Schädelknochen sich nach ihrem Eintritt in die Welt nicht vollständig dekomprimiert hatten, und als Folge davon hatte sie Schwierigkeiten beim Schlucken und musste würgen. Das war nichts Ernstes, nur einige Knochenfugen mussten zurechtgeschoben werden, aber solange wir das noch nicht wussten, machten wir uns große Sorgen.
Auf den Rat eines Freundes hin brachten wir sie zu einem Craniosacral-Therapeuten, dem es nach einigen ziemlich strapaziösen Sitzungen gelang, sie auf den richtigen Weg zu bringen. Aber in den ersten drei Monaten ihres Lebens hatte sie immer wieder schreckliche Koliken gehabt, die, ohne dass wir es ahnten, direkt mit diesem Problem zusammenhingen, es kam uns einfach nicht ungewöhnlich vor, das vor Schmerzen kreischende kleine Bündel herumzutragen. Die Behandlung war jedenfalls ein voller Erfolg, und die Kleine wurde zum strahlenden Mittelpunkt unseres Lebens. Ich fragte mich, wie ich mir jemals ein Leben ohne dieses göttliche Geschöpf hatte vorstellen können.
Nun galt es, unser Leben an die neue Wirklichkeit anzupassen. Für uns stand fest, dass Hurtwood der beste Ort war, um Kinder aufzuziehen, aber über die Einzelheiten der Betreuung hatten wir uns noch keine Gedanken gemacht. Melia suchte ein Kindermädchen, denn auch wenn wir uns so viel wie möglich selbst um Julie kümmern wollten, brauchten wir unbedingt jemanden, der uns unterstützte, falls einer von uns einmal krank wurde oder ich außer Haus arbeiten musste. Wir hätten nie gedacht, wie schwierig das werden würde. Zum Beispiel erfuhren wir bei einem Vorstellungsgespräch, dass eine ausgebildete Betreuerin in einem Notfall (vermutlich aus versicherungstechnischen Gründen) die Eltern bei der Wahl der zu treffenden Maßnahmen überstimmen konnte. Völlig absurd und absolut unakzeptabel, auch wenn es juristisch vielleicht nachvollziehbar ist. Schließlich fanden wir eine wunderbare Frau namens Annie, die noch bis zum heutigen Tag bei uns ist, und auch Melias Schwester Maile ist gelegentlich eingesprungen, wenn die Situation es erforderte. Und dann half uns noch etwas ganz anderes – ein großartiges Buch, das uns Lili Zanuck geschenkt hatte, Babyflüsterer von der britischen Kinderkrankenschwester Tracy Hogg. Es hat uns unschätzbare Dienste geleistet und in allen Fragen, insbesondere was Schlafgewohnheiten angeht, weitergeholfen. Ich kann es nur jedem empfehlen, der eine Familie gründen will.
Für den Rest des Jahres war ich auf Tour, flog aber, so oft es ging, nach Columbus. Als ich nach New York kam, ging ich zu einem Juwelier und kaufte einen modernen, von den römischen Schmuckdesignern Buccellati entworfenen Ring. Ganz spontan. Aber unbewusst muss ich es schon lange vorgehabt haben. Beim nächsten Besuch in Columbus ging ich zu Melias Vater und hielt um ihre Hand an. Es war eine bewegende Szene, er war sehr liebenswürdig und gab mir das Gefühl, zur Familie zu gehören. Eine halbe Stunde später kniete ich vor Melia und fragte sie, ob sie mich heiraten wolle. Und wenn ich auch sonst ein zynischer alter Mistkerl sein mag, bin ich überzeugt davon, dass sich in diesem phantastischen Augenblick mein ganzes Leben verändert hat – als sei endlich die Sonne für mich aufgegangen.
Die Tour endete in Japan, und Melia und Julie reisten eine Zeit lang mit. Wir wollten in dieser Zeit, in der wir so viel über das Elternsein lernten, möglichst oft zusammen sein. Graham hat uns wie immer sehr dabei geholfen. Er kann unglaublich gut mit Kindern umgehen, streng, aber liebevoll, und unsere sind ganz vernarrt in ihn. Mich selbst stellte die Doppelrolle auf eine harte Probe, und damals glaubte ich, dass ich das nicht mehr allzu oft durchmachen wollte, auch wenn es dann natürlich ganz
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