Mein Leben
nächsten Album, Reptile , hatte mich der Tod meines Onkels Adrian inspiriert. Er starb, während wir gerade wieder in England waren, und bei seiner Beerdigung erhielt Melia einen ersten Eindruck von dem, was von meiner verrückten, wundervollen Familie noch übrig war. Und ich erkannte erst jetzt so richtig, welch großen Einfluss er auf mein Leben gehabt hatte und wie sehr er nur durch sein Beispiel meine Sicht der Dinge geprägt hatte. Nach der Beerdigung überschwemmten mich die Erinnerungen – Filme, die wir zusammen gesehen hatten, Musik, die er mochte, seine ganze Einstellung, das alles ging mir tagelang nach. Und mich plagte furchtbare Reue, weil ich es nicht geschafft hatte, ihn vom Trinken abzubringen, das inzwischen zum Problem geworden war. Ich habe mich immer an den Grundsatz gehalten, mich niemals in die Angelegenheiten anderer Leute einzumischen, es sei denn, sie bitten um Hilfe. Heute frage ich mich, ob ich in seinem Fall nicht besser eine Ausnahme gemacht hätte.
Reptile wollte ich nach dem gleichen Konzept produzieren wie das Album mit B. B., nur dass ich die Band um Billy Preston und die Impressions erweiterte. Billy war Teil meines musikalischen Lebens, seit ich ihn mit Little Richard hatte spielen sehen, als wir beide noch Teenager waren. Und als er zu Apple kam, war ich 1970 bei den Aufnahmen zu Encouraging Words dabei. Jetzt hatte er keinen festen Job, und ich fragte ihn, ob er bei dem Album mitmachen und mit meiner Tourband durch die Lande ziehen wolle. Zu meiner großen Freude sagte er zu beidem ja. Er war schon immer mein Lieblingskeyboarder gewesen, und jetzt konnten wir endlich gemeinsam spielen. Ich war auch schon immer ein Fan von Curtis Mayfield gewesen und hatte die Ehre gehabt, bei seinem Gedenkgottesdienst in L.A. mit den Impressions singen zu dürfen. Als ich sie nun fragte, ob sie auf meinem neuen Album singen wollten, erklärten sie sich zu meiner ungeheuren Freude einverstanden.
Während einer Pause zwischen den Aufnahmearbeiten flogen Melia und ich zum Angeln nach Vancouver. Melia hatte noch nie geangelt, fand aber sofort Gefallen daran. Wir konzentrierten uns auf Lachse, und sie fing wesentlich mehr als ich. Sie war ein Naturtalent. Das Haus, in dem wir wohnten, war nicht allzu luxuriös, und dass sie sich nicht darüber beklagte, sagte mir, dass sie die Richtige für mich war. Es störte sie kein bisschen, im Gegenteil, sie schien gern in der freien Natur zu leben, genau wie ich.
Als wir im Herbst 2000 Urlaub auf Antigua machten, erzählte sie mir, dass sie schwanger sei. Anfangs war ich ein wenig schockiert. Wir hatten über Kinder gesprochen, und ich hatte gesagt, in meinem Alter sei das vielleicht keine so gute Idee. Ich war mir nicht sicher, ob ich für etwas so Wichtiges noch genug Kraft besaß. Aber als ich genauer darüber nachdachte, erkannte ich, dass es genau das war, was ich brauchte, und war außer mir vor Freude. Im Jahr darauf trat ich eine Welttournee an, die schon geplant war, bevor ich von Melias Schwangerschaft erfahren hatte. Es war nicht ganz einfach, aber wir konnten die Tourdaten so legen, dass ich zum berechneten Zeitpunkt der Geburt dabei sein konnte.
Die Tourband bestand aus Billy Preston, David Sancious von Bruce Springsteens E Street Band, Andy Fairweather, Nathan East und Steve Gadd. Eine großartige Truppe, die allein durch Billys Präsenz erheblich aufgewertet wurde. Da er selbst ein geborener Bandleader war, kam ich mir fast wie ein Gastmusiker vor. Das Ganze war sehr kompakt und kreativ. Als wir in die Staaten kamen, flog Melia nach Columbus, um während der bevorstehenden Geburt bei ihrer Familie zu sein. Und sie wollte vorher die örtliche Klinik kennen lernen. Ich ließ uns von Graham und Nigel ein Haus besorgen, damit wir, wenn das Kind geboren war, einen Ort für uns allein hätten, bis wir wieder nach Hause fuhren. Ich war sehr aufgeregt. Ich hatte Conors Geburt miterlebt, und es war wunderbar gewesen, aber das hier war etwas anderes. Denn diesmal war ich nüchtern.
Mein Tourmanager Peter Jackson hatte die Termine so gelegt, dass ich tagsüber bei Melia in Columbus sein und abends mit dem Flugzeug zu den Shows pendeln konnte. Das war zwar ein bisschen anstrengend, aber wenigstens konnte ich so Melia zur Seite stehen und bei der Geburtsvorbereitung mitmachen. Als wir dann eines Tages zur Ärztin gingen, um die demnächst anstehendenTermine zu besprechen, sagte sie, Melia solle am besten gleich in die Klinik gehen. Ich geriet in Panik.
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