Mein Leben
Himmel auf Erden. Julie und Ella waren inzwischen erfahrene Schwimmer und fühlten sich im Wasser pudelwohl, und Sophie, die vor einiger Zeit gehen gelernt hatte, war auch schon fast so weit. Genau dafür hatte ich gearbeitet: dass ich mit meiner Familie in der Sonne sitzen und mich dem Nichtstun hingeben konnte.
Einmal musste ich unseren Sommerurlaub unterbrechen, um mit J. J. die Fotos für das Escondido – Album zu machen. Wir verabredeten, dass ich nach L.A. fliegen und mich dort mit ihm treffen würde – er fliegt äußerst ungern –, dann wollten wir ein paar Tage mit dem Fotografen arbeiten, und wo ich schon mal in der Stadt war, wollte ich mit Tom Whalley über die aktuellen Geschäfte sprechen. Ich bin sehr gern mit J. J. zusammen, er ist ein wunderbarer Mensch und hat einen herrlichen Sinn für Humor. Wie ich es sehe, wird er von den meisten Leuten missverstanden. Viele halten ihn für einen Einsiedler, dabei ist er in Wirklichkeit sehr gesellig, offen und charismatisch. Allerdings kommt er auch gut alleine zurecht. Soweit ich weiß, ist er nie für die Rock and Roll Hall of Fame nominiert worden, während man mich schon dreimal aufgenommen hat. Meiner bescheidenen Meinung nach ist er einer der wichtigsten Künstler in der Geschichte des Rock, ein stiller Repräsentant des Wertvollsten, was sein Land je hervorgebracht hat. Und viele Leute in Europa haben noch nie von ihm gehört.
Beim Rückflug nach Columbus stand ich als Inhaber eines Einfach-Tickets natürlich schwer in Verdacht, den Flieger sprengen zu wollen, und wie üblich nahm mich die Security gründlich auseinander. Ich schwor mir zum hundertsten Mal, nie mehr in dieses Land zurückzukehren. Sicher, so läuft das jetzt überall, aber aus irgendeinem Grund fühlt es sich in Amerika einfach viel schlimmer an. Für Tourneen chartern wir immer ein kleines Flugzeug, so wie es viele Leute in diesem Business seit langem machen, und dabei vergisst man leicht, wie unerquicklich das Reisen heutzutage geworden ist. Früher bin ich gern gereist, das lag mir im Blut, aber jetzt kann ich es kaum noch ertragen und bekomme es auf dem Weg zum Flughafen jedes Mal mit der Angst zu tun. Das Interessante an dieser Tour war der durchaus nicht immer erschreckende Gedanke, dass ich einige dieser Orte, die ich in meinem Leben so oft besucht hatte, nun wahrscheinlich zum letzten Mal sehen würde.
Zu Beginn der Amerika-Tour blieb Columbus mein Stützpunkt, um noch möglichst lange bei meiner Familie zu sein. Wir fingen in St. Paul an und bewegten uns dann auf die Ostküste zu. Nach einer Woche erwischte mich eine Grippe, die sich zu einer Lungenentzündung ausweitete und uns zwang, einen Gig in Detroit abzusagen. Ich habe in meiner ganzen Karriere nur zwei oder drei Termine abgesagt, und ich bin stolz darauf. Es nimmt mich sehr mit, wenn ich nicht auftreten kann, weil ich weiß, wie viele Leute ich damit enttäusche. Wie auch immer, als ich wieder auf den Beinen war, ging es weiter, und ziemlich bald hatten wir zur alten Form zurückgefunden. Die Band war schlicht großartig, eine der besten, mit der ich je auf Tour gewesen bin, und ich wusste, wir konnten noch sehr viel besser werden.
Eine weitere Pause in Columbus gab mir Gelegenheit, den neuen amerikanischen Akzent meiner Kinder zu bewundern, und dann ging es gleich weiter zu J. J. an die Westküste zur Veröffentlichung unseres Albums. Wir hatten drei Tage voller Pressetermine, und anschließend musste ich nach Tokio zum Auftakt der Japantour. Ich weiß wirklich nicht, ob dieser Reklamerummel irgendeinen Sinn hat. Ich habe das nie gern gemacht, und es ist mir schon öfter passiert, dass mich unmittelbar nach einem großen Werbefeldzug Leute auf der Straße angesprochen haben, ob ich immer noch Platten mache. Das Beste an dieser Aktion mit J. J. war, neben ihm zu sitzen und zu spüren, wie er angesichts der immer gleichen lächerlichen Fragen langsam die Geduld verlor.
Auf Japan freute ich mich sehr. Ich habe viele Freunde dort und sehr treue Fans. Am Morgen nach meiner Ankunft in Tokio kam Hiroshi mit seinem neuen Cinelli-Rennrad im Hotel vorbei und zeigte mir einige Jacken, die er für die japanische Filiale von Levi entworfen hatte. Er ist ein großartiger Designer, dem es gelingt, klassische oder militärische Designs durch Hinzufügen individueller Details zu etwas Neuem und Einzigartigem zu machen. Er ist immer noch eine Ikone der Street-Culture, daher auch das Cinelli. Rennräder sind in Japan dabei, die
Weitere Kostenlose Bücher