Mein Leben
vor Stigwood hatte Roger ein paar interessante Kontakte im East End geknüpft, unter anderem auch zu Laurie O’Leary, der für die Kray-Brüder die Geschäfte von Esmeralda’s Barn geführt hatte, bevor er das Speakeasy übernommen hatte. Lauries Bruder Alphi wurde als mein persönlicher Assistent und Leibwächter engagiert. Alphi war ein unvergesslicher Charakter, ein mindestens 1,90 Meter großer, kräftig gebauter Mann mit Dauerwelle. Er hatte eine komische Art, seinen Hals zu bewegen, als hätte er ihn sich irgendwann einmal gebrochen. Er konnte seinen Kopf kaum wenden und musste beim Umdrehen immer den ganzen Oberkörper mitbewegen, was ihm eine ziemlich finstere Aura verlieh. Aber so bedrohlich er auch wirken mochte, es war alles Fassade, denn er war in Wahrheit ein außergewöhnlich tiefgründiger und freundlicher Mensch. Aber als mein Aufpasser musste er gelegentlich Dinge tun, die jedem moralische Skrupel bereiten würden, zum Beispiel Leute rauswerfen, wenn sie nicht erwünscht waren. Hinterher hatte er tagelang Gewissensbisse, die er jedoch herunterschluckte und dann eine grimmige Miene aufsetzte. In Wirklichkeit war er der Inbegriff eines sanften Riesen.
Vielleicht hatte Roger Bedenken, mich wieder auf Tour zu schicken, ich bestimmt nicht. Ich hatte mich lange genug vergraben. Außerdem war ich die meiste Zeit zu betrunken, um mitzubekommen, ob die Tour mir schadete oder nicht. Betrunken mutierte ich zu einem Witzbold der schlimmsten Sorte. So hatte Stigwood uns zum Beispiel für die Proben zur Tour eine Villa auf Barbados gemietet. Ich erinnere mich, dass das Personal zur Feier unserer Ankunft zum Abendessen köstliche Spaghetti bolognese gekocht hatte. Ich hatte kaum Platz genommen, als ich meinen Teller nahm und über jemandem ausleerte. Bald flog das Essen kreuz und quer durch den Raum, bis sämtliche Möbel und Wände mit Spaghetti und Tomatensauce bekleckert waren.
Mit die lustigsten Zeiten meiner Trinkerjahre hatte ich mit Stigwood und Co. Wir liebten es, uns gewagte Streiche zu spielen, die praktisch keine Grenzen kannten. Dabei konnte es ziemlich rau zugehen, bis dann ein Waffenstillstand verhinderte, dass irgendjemand verletzt wurde. Stiggy spielte gern den Part des empörten Opfers, das, wenn man es zu weit trieb, plötzlich in Notwehr wütend zurückschlug und dann ebenso gut austeilen wie einstecken konnte. Ich weiß, dass es sich kindisch anhört, und das war es auch, aber wir hatten eine Menge Spaß. Zwei von Stiggys bösartigsten Quälgeistern, abgesehen von mir, waren Ahmet und Earl McGrath, der Manager der Plattenfirma der Rolling Stones. Ich hab gehört, dass sie ihn einmal mitten in einem Flughafen bis auf die Unterhose ausgezogen und den Inhalt seines Aktenkoffers auf den Boden gekippt haben.
Einmal ließ ich an Weihnachten ein lebensgroßes ausgestopftes Kamel zu Stigwoods Haus liefern, worauf ich im Gegenzug drei Milchkühe nach Hurtwood gebracht bekam, und so weiter. In Barbados haben Ahmet, Earl und ich Stiggy einmal in seiner gemieteten Villa besucht und sie komplett demoliert, während er draußen wimmernd und klagend in seiner Hängematte hockte. »Wie könnt ihr es wagen? In meinem ganzen Leben bin ich nicht so gedemütigt worden.« Wir waren wie Kinder, und wenn einer von uns die Fronten wechselte und sich auf Stiggys Seite schlug, verschoben sich die Machtverhältnisse plötzlich und aus dem Opfer konnte ein Aggressor werden. Rückblickend denke ich, dass diese Spiele viel gegenseitige Liebe und Vertrauen erfordert haben, und die verbanden uns auf jeden Fall, egal ob betrunken oder nüchtern.
Die 461 Ocean Boulevard – Tour startete am 28. Juni 1974 in der Yale Bowl in New Haven, Connecticut, wo wir vor siebzigtausend Leuten spielten. Die Band war dieselbe, die auch das Album eingespielt hatte – Carl Radle, Jamie Oldaker, Dick Sims, George Terry und Yvonne Elliman –, aber auf der Setliste standen auch Songs wie »Badge« und »Crossroads« aus meiner Cream-Zeit, »In the Presence of the Lord« von Blind Faith sowie »Layla« und »Have You Ever Loved a Woman« aus dem Repertoire der Dominos. Schließlich sollte es meine Comeback-Tour werden.
Es war eine extravagante Show, die von Legs Larry Smith als Opening Act eröffnet wurde. Er war Drummer bei der Bonzo Dog Doo-Dah Band, wo er häufig ein Tutu trug und hinter seinen Drums hervorkam, um einen Stepptanz vorzuführen. Bei unserer Tour musste er als römischer Zenturio verkleidet mit einer Ukulele auf die Bühne
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