Mein Leben
kommen und zum Playback von The Whos »My Generation« agieren. Wir machten ihm das Leben zur Hölle. Wir stellten uns alle an der Bühnenseite auf und bewarfen ihn wahllos mit allem, was uns in die Hände fiel – Obst, Brötchen, manchmal kippten wir kurz vor dem Auftritt auch Suppe in seine Ukulele. Es war eine außergewöhnliche Performance, mit der das Publikum oft nichts anfangen konnte, und er wurde jedes Mal von der Bühne gebuht. Daraufhin mimte er tiefe Trauer und Erniedrigung, was jedoch ebenfalls Teil des Acts war.
Legs und ich wurden gute Freunde und Saufkumpane. Er trug, auch wenn es heiß war, mit Vorliebe sehr warme Kleidung. So habe ich ihn zum Beispiel Mitte Juli in New Orleans einmal in einem dreiteiligen Anzug aus Harris Tweed, mit einem Mantel über dem Arm, gesehen. Außerdem hatte er einen wunderschönen, maßgeschneiderten Anzug aus Holiday-Inn-Handtüchern. Er war extrem stilbewusst, und sein Geschmack begann auf mich abzufärben. Mein Standard-Outfit bestand zu der Zeit aus einer Jeans-Latzhose von Lee, die ich in einem Secondhand-Laden gekauft hatte, zusammen mit einem durchsichtigen Plastikregenmantel, der mit hunderten von Stickern verziert war.
Ich machte mir nicht allzu viele Gedanken darüber, was die Leute dachten. Meistens war ich betrunken und amüsierte mich, blödelte rum um und machte Musik mit den Jungs. Das Getränk meiner Wahl war Brandy, den ich allerdings nicht pur trinken konnte. Wie die meisten Alkoholiker mochte ich den Geschmack von Alkohol nicht, deshalb mischte ich ihn mit einem Süßgetränk wie Ginger Ale oder Seven-Up. Ich trank rund um die Uhr, egal, ob ich abends ein Konzert hatte, weil ich immer sicher war, es irgendwie hinzukriegen. Oft hatte ich mich allerdings doch nicht im Griff und ging manchmal einfach von der Bühne, worauf irgendjemand, meistens Roger, versuchen musste, mich zu überreden, wieder zurückzukommen.
In den frühen Siebzigern schien die gesamte Unterhaltungsindustrie sich in einem allgemeinen postpsychedelischen Alkoholrausch zu befinden. Wenn man auf einer Bühne stand, wurde es fast von einem erwartet, dass man betrunken war. Ich kann mich daran erinnern, ein ganzes Konzert im Liegen mit einem neben mir liegenden Mikrofonständer gespielt zu haben, ohne dass irgendjemand mit der Wimper gezuckt hätte. Es gab auch deswegen kaum Beschwerden, weil das Publikum meistens genauso betrunken war wie ich. Natürlich waren damals auch ein paar strahlende Vorbilder unterwegs, Künstler mit hohen moralischen und musikalischen Standards wie Stevie Wonder, Ray Charles oder B. B. King. Und wenn ich den Mut und die Klarheit gehabt hätte zu begreifen, wofür sie standen, hätte ich vielleicht damit begonnen, gegen meinen stetigen Abstieg anzugehen. Aber wir sprechen hier von Alkoholismus, und ich leugnete standhaft, welche Richtung mein Leben eingeschlagen hatte.
Die Sorge um meinen Zustand wuchs, ohne dass jemand wirklich informiert gewesen wäre. Die Leute in meiner unmittelbaren Umgebung wussten nur, wie sie den Status quo erhalten konnten, und Roger trug seinen Teil dazu bei. Offenbar hatte er von Stiggy die Anweisung bekommen, sich darum zu kümmern, dass alles glatt lief. Deshalb sorgte er dafür, dass ich bekam, was ich wollte, spielte für mich den Partylöwen und brachte mich zum Lachen. Wir kamen uns menschlich sehr nahe, und ich fing an, in ihm eine Art Vaterfigur zu sehen. Er reiste immer mit, hatte die ganze Zeit ein Auge auf mich und fragte ständig: »Wo ist Eric? Was macht er? Geht es ihm gut? Ich will einen Bericht.« Ich lebte derweil glücklich in einem alkoholischen Dämmerzustand und bekam nicht mit, dass alle, die für mich arbeiteten, jetzt für Roger arbeiteten und dass sich das Machtverhältnis verschoben hatte.
Rogers eigentlicher Coup und Grundstein unserer Freundschaft war jedoch, dass er Pattie für mich aus dem Hut zauberte. Die Tatsache, dass er mir diesen Herzenswunsch erfüllte, schlug mich komplett in seinen Bann. Roger hatte gerüchteweise gehört, dass Pattie George tatsächlich verlassen hatte und in L.A. bei ihrer Schwester Jenny lebte, die mit Mick Fleetwood verheiratet war. Er schlug vor, dass ich sie anrufen und einladen sollte, mich auf der Tour zu begleiten.
All das kam mehr oder weniger aus heiterem Himmel, aber ich nahm all meinen Mut zusammen, und sie sagte Ja. Damit hatte ich mir einiges vorgenommen, wenn man überlegt, wie selten wir uns in den vergangenen drei Jahren gesehen hatten. Sie stieß am 6.
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