Mein Leben
gemeinsamen Jahr waren Nell und ich ständig unterwegs. Ich hatte mit der Ocean Boulevard – Tour so viel Geld ver dient, dass Roger darauf bestand, für ein Jahr auf die Bahamas zu ziehen, um drastische Einkommenssteuerzahlungen zu vermeiden. Dies sollten unsere wahren Flitterwochen werden. Wir mieteten eine Villa auf Paradise Island, einer wunderschönen winzigen Insel im Nordosten von Nassau, die durch eine Brücke mit dem Festland verbunden ist. Auf der einen Seite hatte Richard Harris ein Haus, auf der anderen lag ein großer Hotelkomplex. Und genau in der Mitte erstreckte sich quer über die ganze Insel ein Anwesen, das einem Mann namens Sam Clapp gehörte, einem Partner des internationalen Finanzinvestors Bernie Cornfeld. Darauf standen eine Villa im Miami-Stil sowie ein kleineres Haus im polynesischen Stil, alles wunderbar und topmodern eingerichtet mit Lautsprecherboxen in jedem Zimmer, was für jemanden wie mich, der so etwas nie zuvor gesehen hatte, ziemlich revolutionär war.
Anfangs war das Leben auf Paradise Island wirklich idyllisch. Wir genossen Sonne, Meer und Strand und das Vergnügen, zusammen alleine zu sein. Ich trank nicht mehr so maßlos und für mich allein, sondern beschränkte mich auf ein paar über den Tag verteilte Bier. Aber dieses Leben dauerte nicht allzu lange, denn als ich mich ans Paradies gewöhnt hatte, braun gebrannt und gesund war, verkroch ich mich immer mehr in dem klimatisierten Haus. Draußen hielt ich es einfach nicht mehr aus. Ich zog mich zurück und fing wieder an zu trinken, meistens Brandy und Wodka. Weil Alkohol auf den Bahamas spottbillig war, war Saufen für die meisten Bewohner zu einer Lebensform geworden. Mein Alkoholkonsum eskalierte buchstäblich über Nacht, und binnen eines Jahres war ich ein ausgewachsener, hundertprozentiger Alkoholiker geworden.
Von Paradise Island brach ich mit der Band zu einer Tour durch Australien auf, wo meine Betrunkenheit ganz normal schien, so als würde man dort geradezu ermutigt, sich so zu benehmen. Ich erinnere mich, dass ich im Dauerrausch eine Obsession fürs Armdrücken entwickelte. Ich forderte x-beliebige Typen in Bars heraus. Mit dem rechten Arm konnten sie mich immer schlagen, aber mit dem linken Arm konnten mich nicht einmal ausgewachsene Kraftprotze bezwingen. Letztendlich war es ein harmloser Spaß, aber manchmal übertrieb ich es und benahm mich in Gegenwart Nells und aller Öffentlichkeit vollkommen daneben.
Ich kann mich erinnern, dass ich einmal bei einem großen Abendessen Ärger bekam, weil ich die Frau des Gastgebers laut fragte, ob sie ein Bad mit mir nehmen wollte. Das mag damals vielleicht witzig gemeint gewesen sein, aber Nell und die anderen Betroffenen fanden es gar nicht komisch. In mir hat schon immer ein Verrückter geschlummert, der nur darauf wartete herauszukommen, und mit dem Trinken gab ich ihm die Erlaubnis. Mitte der 70er im Urlaub auf einer Yacht in Griechenland habe ich in mein Tagebuch geschrieben: »Ich sitze hier, trinke Wodka mit Limonade und feiere eine Party für mich allein. Ich bin sehr traurig und sauer ... Ich male mir aus, was ich mit dem ersten Zollbeamten mache, der mich wegen meiner Gitarre befragt oder – noch schlimmer – sie anrührt.«
Es war normal, dass ich mich mit Autoritäten anlegte, wenn ich wütend war. Ein Zollbeamter, ein Polizist oder ein Pförtner konnte unvermittelt Opfer meiner spitzen Zunge werden, und dann musste jemand wie Roger oder Alphi den Schaden in Ordnung bringen, meine Kaution stellen, sich entschuldigen, die Rechnung bezahlen oder was sonst notwendig war, um den Zwischenfall unter den Teppich zu kehren. Manchmal erfand ich Pseudodramen, um einen Streit anzufangen. »Sie haben meine Frau beleidigt«, sagte ich etwa zu einem völlig unschuldigen Menschen, der mir aus irgendeinem Grund unsympathisch war, um einen Vorwand zu haben, ihn anzupöbeln.
Ein berüchtigter Zwischenfall dieser Art ereignete sich, als wir auf Paradise Island lebten. Ich wurde zu einer Jam-Session zum Jubiläum von Cain’s Ballroom nach Tulsa, in Oklahoma, eingeladen, einer berühmten Dance Hall, die seit den Tagen des Vaudeville existierte und ein beliebter Auftrittsort für Bands war. Ich beschloss hinzufliegen, weil ich mit vielen Musikern aus Tulsa befreundet war, war bei meiner Ankunft jedoch bereits ordentlich betrunken und schwer auf dem Kriegspfad. Schon im Flugzeug hatte ich mich in eine Meinungsverschiedenheit verwickeln lassen, und das Flugpersonal hatte die
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