Mein Leben
meiner Mutter im letzten Jahr rapide verschlechtert hatte. Als Erstes musste er sich einer Kolostomie unterziehen, was ein harter Schlag für ihn war. Von da an diesen Beutel tragen zu müssen, nahm ihm seine Würde und seine Selbstachtung. Als er dann auch noch Nieren- und Leberprobleme bekam, die ebenfalls mit dem Trinken zu tun hatten, verlor er jeden Lebenswillen. Als ich ihn mit Pat im Krankenhaus besuchte – es sollte das letzte Mal sein, dass ich ihn sah –, hatte er Halluzinationen und sprach mit Leuten, die gar nicht da waren. Ich hatte so etwas noch nie gesehen.
Sid starb Anfang November, und für mich starb damit auch ein wichtiger Teil von Ripley. Es war das Ende der guten Zeiten. Onkel Adrian und ich betranken uns fürchterlich bei der Beerdigung und führten den versammelten Gästen ein abscheuliches Schauspiel vor, wobei wir uns damit herausredeten, genau so hätte Sid es sicher gern gehabt. Es war unverzeihlich, und meine Mutter war außer sich vor Zorn. Mich hatte Sids Tod völlig durcheinandergebracht, denn er hatte mir gezeigt, auf welchem Weg ich selber war. Ich dachte: »Nicht mehr lange, und mir ergeht es auch nicht anders.« Aber statt meinen Durst zu bremsen, trieb dieser Gedanke mich vielmehr an, immer mehr zu trinken, um ihn irgendwie aus meinem Kopf zu vertreiben.
Der Trugschluss besteht jedoch darin, dass ein Problem, wenn man trinkt, um es zu vergessen, immer nur größer wird. Ich trank ein Glas, um das Problem zu verscheuchen, und wenn es blieb, trank ich noch eins, und so war ich am Ende meiner Trinkerzeit wirklich geisteskrank, weil mich ständig die Hoffnung antrieb, irgendwie da rauszukommen. Ich versteckte überall Schnapsflaschen, schmuggelte sie rein und raus und verbarg sie an Orten, wo, wie ich mir einbildete, niemand nach ihnen suchen würde. Zum Beispiel hatte ich immer eine Flasche Wodka unter der Fußmatte im Auto.
Bevor ich den absoluten Tiefpunkt erreichte, gab es ein paar Warnschüsse, den ersten an einem Wochenende, als wir Freunde auf dem Land besuchten. Die Einladung kam von Bob Pridden, dem Toningenieur von The Who, der mit Lady Maria Noel verheiratet war, einer der Töchter des Earl of Gainsborough. Die beiden lebten in einem Haus auf dem Anwesen Exton Park, dem Familiensitz in Rutland. Ich war in Draufgängerlaune und hatte keine Ahnung, worauf ich mich einließ, als ich Pattie versprach, auf der Reise keinen Tropfen anzurühren. Wir brachen auf, und als wir unserem Ziel schon ziemlich nahe waren, verfuhren wir uns. An einer Telefonzelle hielt ich an, um Bob anzurufen und nach dem Weg zu fragen. Während ich mit ihm sprach, wurde mir plötzlich ganz flau und schwindlig, und ich fiel gegen die Zellenwand. Das Blut strömte bald in meinen Kopf zurück, und ich richtete mich auf und beendete das Gespräch, war allerdings doch ein wenig beunruhigt.
Als wir ankamen, zeigten uns Bob und Maria unser Zimmer, und dann gab es etwas zu essen. Mir fiel auf, dass nirgendwo Alkohol zu sehen war, und da ich wusste, dass Bob gerne einen trank, kam ich auf die Idee, dass man sie gebeten habe, den Schnaps zu verstecken oder wegzuschließen. Ich weiß noch, wie ich mitten in der Nacht aufstand, im Haus herumschlich und sämtliche Schränke aufmachte, in der vergeblichen Hoffnung, irgendwo einen Tropfen Alkohol zu finden. Am nächsten Tag ging Bob auf Entenjagd; ich begleitete ihn und half ihm, seine Sachen zu tragen. Als wir zurückkamen, war ich schon reichlich daneben, weil ich nun schon so lange nichts getrunken hatte. Das waren die ersten Entzugserscheinungen.
Am Abend besuchten wir ein Restaurant in der Nähe, das George in Stamford. Ein piekfeiner Laden mit sehr vielen vornehmen Gästen, und während wir vor dem Essen noch in der Bar saßen, fiel mir auf, dass sie alle nur Wasser oder Orangensaft tranken, was mich auf die Idee brachte, dass auch diese Leute alle meinetwegen instruiert worden waren. Kaum hatten wir uns dann zum Essen hingesetzt, drehte sich plötzlich alles. Ich saß aufrecht, aber der Raum kippte zur Seite weg, und als Nächstes wachte ich in einem Krankenwagen auf.
Pattie war bei mir, sie zitterte buchstäblich vor Angst, da sie keine Ahnung hatte, was passiert war. Wie sich herausstellte, hatte ich einen Grand-Mal-Anfall erlitten, weil ich ohne ärztliche Aufsicht so plötzlich mit dem Saufen aufgehört hatte. Ich wurde zu weiteren Untersuchungen ins Londoner Wellington Hospital gebracht, wo man bald herausfand, dass ich eine mit Verzögerung
Weitere Kostenlose Bücher