Mein Leben
auftretende Form von Epilepsie hatte, die, wie man mir sagte, schon seit Jahren in meinem Organismus geschlummert haben könnte. Ich erhielt die entsprechenden Medikamente, und das gefiel mir, weil ich wieder mal eine Chemikalie zum Spielen hatte.
Ende November, also wenig später, flogen wir für acht Gigs nach Japan. Der erste fand in Niigata statt. Als wir einige Tage darauf in unserem Hotel in Tokio ankamen, fand ich in meinem Zimmer eine Flasche Sake, in der Goldflocken schwebten – ein in Japan sehr geschätztes Geschenk. Ich trank sie auf einen Zug aus, und binnen weniger Stunden kam es zu einer extremen körperlichen Reaktion. Meine Haut überzog sich von Kopf bis Fuß mit einem heftigen Ausschlag und begann sich abzuschälen. Irgendwie überlebte ich den Gig, und als ich Roger anschließend die Bescherung zeigte, wiederholte er nur, was er mir seit Monaten predigte: »Du bist Alkoholiker.« Natürlich weigerte ich mich, das zu akzeptieren.
Weihnachten hatten wir zu Hause in Hurtwood viele Leute zu Gast, gute Freunde und alle möglichen Familienmitglieder, Jung und Alt. Ich hatte mir vom Weihnachtsmann spezielle Thermounterwäsche zum Angeln gewünscht, und als am Heiligabend alle schlafen gegangen waren, beschloss ich sturzbetrunken, meine Geschenke auszupacken. Da hockte ich also mitten in der Nacht unterm Baum und wickelte Geschenke aus, etwas, das sonst bestenfalls ein ungezogener Fünfjähriger fertigbringen würde. Ich fand meine teure knatschgrüne Thermounterwäsche, zog sie an und wanderte darin durchs Haus. Als ich Stunden später zu mir kam, lag ich in meiner neuen Wäsche im Keller. Ich muss wie Kermit der Frosch ausgesehen haben, dem man mit Taschenlampen ins Gesicht leuchtete. Es war der Weihnachtsmorgen, und alle waren in Panik geraten, weil ich plötzlich spurlos verschwunden war.
Vor allem Pattie hatte sich Sorgen gemacht, weil ich schon öfter mitten in der Nacht unbekleidet aus dem Haus gegangen war und versucht hatte, ins Auto zu steigen und wegzufahren. Sie wusste nicht mehr ein noch aus, als man mich schließlich im Keller entdeckte. Ich lachte und weinte gleichzeitig. Es war gespenstisch, und ich erinnere mich noch an die Angst in den Augen der Leute, die mich da alle anstarrten. Pattie war mit Recht stocksauer. Sie brachte mich nach oben ins Bett. »Du bleibst hier, bis alle gegangen sind«, sagte sie. »Wir werden Weihnachten ohne dich feiern.« Und damit ging sie aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich ab. Das war eine sehr kluge Entscheidung von ihr. Sie ließ mich nicht aus dem Zimmer und gab mir nur gerade genug zu essen und zu trinken, dass ich nicht ausflippte. Ich war von den Ereignissen so verwirrt und schämte mich so sehr für den Schaden, den ich angerichtet hatte, dass ich mich kein bisschen gegen diese Maßnahme zur Wehr setzte. Ich wusste, sie hatte recht, und es war das Beste, zu gehorchen und eine Weile im Hintergrund zu bleiben.
Als ob das noch nicht gereicht hätte, stürzte ich ein paar Tage später, nachdem die letzten Gäste abgereist waren, noch tiefer ab. Frühmorgens schlich ich in meiner neuen Thermounterwäsche aus dem Haus, um angeln zu gehen. Ich fuhr zum Wey, um in der Nähe der Schleusen mein Glück zu versuchen. Meine Ausrüstung war nagelneu – zwei Hardy-Karpfenruten und ein paar Garcia-Spulen –, und ich machte mich daran, nach Hechten zu angeln. Ich bin auf dem Land aufgewachsen und habe mich immer für einen ganz passablen Angler gehalten, aber nun bemerkte ich am Ufer gegenüber zwei professionelle Karpfenangler, die dort ihr Zelt und alles andere sehr ordentlich aufgebaut hatten. Wahrscheinlich waren sie schon seit ein, zwei Tagen da, und jetzt beobachteten sie mich. Ich war betrunken und hatte es gerade irgendwie geschafft, meine Ausrüstung zusammenzubauen, als ich das Gleichgewicht verlor und auf eine der Angelruten fiel, die am Griff glatt abbrach. Die beiden Angler, die das beobachtet hatten, wandten sich verlegen ab.
Jetzt reichte es mir. Der letzte Rest meiner Selbstachtung war hinweggefegt. Ein guter Angler zu sein, war für mich das Einzige, worauf ich mir noch etwas eingebildet hatte. Ich packte alles wieder zusammen, verstaute die Sachen im Auto und fuhr nach Hause. Ich ging zum Telefon und rief Roger an. Als er abnahm, sagte ich nur: »Du hast recht. Ich bin in Schwierigkeiten. Ich brauche Hilfe.« Und im selben Augenblick spürte ich eine unglaubliche Erleichterung, verbunden mit Angst, denn endlich hatte ich jemand
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